Stormrider - Teil 88

Mein Liebster öffnete die Augen und kam wie ein Stehaufmännchen in den Sitz. »Was war das denn?«, zog er misstrauisch die Brauen zusammen.
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich diese Stimme von irgendwoher kannte, sie aber niemandem zuordnen konnte.
Ich stand wieder auf, lief nochmals zum Fenster und sah hinaus. Alles lag in tiefem Schlaf. Zumindest sah es oberflächlich so aus. Verursachte unser Vaelithar jetzt akustische Halluzinationen bei uns beiden?
Wrathion kam zu mir, legte seine Arme von hinten um mich und küsste zärtlich meinen Hals. »Komm wieder ins Bett, meine Süße.«

VERSCHMÄHT SIE MICH DANN WILL ICHS TRAGEN
UND LIEBT SIE MICH DANN WILL ICH FRAGEN
OB HERZELEID IST GROßE GÜTE
ICH GLAUB ICH BRAUCH JETZT BALD NE TÜTE

»Was zum Kuckuck. Es ist drei Uhr nachts.«, grummelte Wrathion ungehalten, lief zum Stuhl, über den seine Klamotten hingen und zog sich an.
Ich machte das gleiche und folgte ihm ins Treppenhaus. Alles lag im Dunkeln, nur hin und wieder erhellte ein Wandleuchter die Szenerie. Wir schlossen leise unsere Wohnungstür hinter uns und liefen die Wendeltreppen hinunter. Bis auf die gelegentlichen übermäßig laut rezitierten Verse war alles totenstill. Als wir an Khadgars Wohnung vorbeiliefen, öffnete sich seine Tür.

DIE VÖGEL FRIEREN IN DEN AUEN
WO SIND SIE NUR, DIE SCHÖNEN FRAUEN
DA SITZ ICH GANZ ALLEINE HIER
UND GANZ ALLEINE ICH HIER FRIER´
WO BIST DU NUR MEINE STILLE SCHÖNE
MIT DER ICH BALD DER LIEBE FRÖNE

»Wass´n hier los?«, gähnte Khadgar. Er trug Morgenmantel und Nachtmütze und schaute missmutig drein. »Was macht ihr für einen Lärm? Ich will schlafen!«
»Wir sind das nicht. Uns hat der Krach ebenso geweckt.«, brummelte Wrathion. »Wir suchen den Kerl. Um ihm den Hals umzudrehen.«
»Ein Dichter, wenn auch ein schlichter.«, seufzte Khadgar. »Das muss draußen sein. Wartet, ich komme mit euch.«, mit diesen Worten verschwand er wieder in seinen Gemächern, um kurz darauf in Hemd und Hose zurückzukehren.
Wir schlichen zu dritt weiter die Wendeltreppen hinab, immer wieder unterbrochen von neuen Versen des Dichters mit dem schlichten Gemüt.
Dann traten wir vor die Schule. Es war alles still. Nichts regte sich.
»Komisch.«, kratzte sich Khadgar am Kinn. »Ich hätte schwören können, das kam von hier draußen. Und irgendwoher kenne ich auch diese Stimme.«
Aber das brachte uns nicht weiter. Der Schreihals hatte anscheinend spontan beschlossen, das Dichten für heute sein zu lassen, und war nach Hause gegangen.


»Hast du das Geschrei gestern Nacht gehört? Uah, war das furchtbar!«, stöhnte Nila am nächsten Morgen. Wir warteten in diesem Augenblick für die nächste Stunde auf Nyra Black.
»Den schlichten Dichter? Der hat uns alle geweckt.«, schimpfte ich. »Sogar Khadgar stand mit Nachtmütze im Treppenhaus herum und wusste nicht, woher das kam.«
Sie kicherte. »Habt ihr den Übeltäter entdeckt?«
»Wir sind runter bis auf die Straße. Aber dann war plötzlich Ruhe. Vielleicht fühlte er sich ertappt.«
»Na da gehört ja nicht so viel dazu.«, grummelte sie. »Wenn er seinen Quatsch so laut in die Nacht brüllt und damit die ganze Stadt weckt.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Möglicherweise ist das ja ein misslungener Zauber? Oder jemand hat magisch seine Stimme verstärkt und vergessen, es wieder abzustellen?«
»Ist mir egal. Ich will nachts nur eins: Schlafen! Wenn ich den Typen in die Finger bekomme, kann er sich auf was gefasst machen.«
Ich knuffte sie in die Seite und lachte. »Wer ist hier der Drache?«
Nyra Black sah sichtlich unausgeschlafener aus als sonst, als sie hereinkam. »Guten Morgen.«, murrte sie. Diese paar Worte waren auch alles, was sie von sich gab, bevor sie wie jedes Mal abfragte, was wir gelernt hatten.
»Ihr habt einen Drachen als Lehrer hier?«, flüsterte Nila erstaunt. Schon wieder jemand, der durch die humanoide Gestalt sehen und dahinter den Drachen erkennen konnte.
»Das ist eine lange Geschichte.«, schmunzelte ich. »Ich erzähle sie dir irgendwann mal.«
Professor Black warf uns beiden einen genervten Blick zu. »Ist es möglich, dass Ihr eure privaten Geschichten nachher klärt?«
»Ja, Professor.«, sagten wir beide im Chor und grinsten.
Und dann konnte ich Nila das erste Mal in Aktion bestaunen. Sie sollte mich angreifen, damit ich einen Schild vorführen konnte, den ich als Hausaufgabe geübt hatte.
Nila schloss ihre Augen und begann melodisch zu singen. Ihre Worte konnte ich nicht verstehen. Dann schoss etwas auf mich zu, das wie eine Wasserwelle aus leuchtender arkaner Energie aussah. Ich rief meinen Schild herbei und die Welle spülte über ihn hinweg und brandete an die Wand des Unterrichtsraums.
Professor Black nickte anerkennend. »Gut. Mr. Levin und Ms. Kendrace.«
Rodney und Nirvana traten vor und zeigten ihrerseits die Übung.
»Was war das für ein Zauber?«, wollte ich wissen. Ich hatte so etwas vorher nie gesehen.
»Fluxus Luminaris. Es ist simpel. Wenn man den richtigen Ton trifft und nicht das falsche Wort benutzt. Das ist einer Tante von mir mal passiert und sie hatte dann alle Hände voll damit zu tun, die ganzen Seelöwen wieder aus dem Haus zu bekommen, die sie versehentlich herbeigerufen hatte.«
»Seelöwen?«, gluckste ich hinter vorgehaltener Hand und Nyra Black starrte mich böse an. Das reichte, um mich sofort zum Schweigen zu bringen.
Nila hatte bei allem ihre gänzlich eigene Art, wie ihre Magie zum Vorschein kam. Ihre Technik war relativ ähnlich, aber nicht genau gleich, wie die Methoden, die ich gelernt hatte.
Zum Beispiel flossen bei dem Schutzschild, den sie über sich zauberte, Wellen arkaner Energie wie Meereswellen von unten nach oben, bis sie sich in der Mitte zu einer Kuppel verbanden. Sie liefen nicht wie bei uns von der Mitte aus nach unten wie der Zuckerguss über einen Kuchen. Aber das waren nur kosmetische Unterschiede, denn die Wirkung blieb dieselbe.

 

Fortsetzung folgt …

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Stormrider - Part 88

My beloved opened his eyes and sat up like a spring-loaded doll. »What was that?« he asked, raising his brows suspiciously.
Only then did I realize that I knew that voice from somewhere—but couldn’t place it.
I got up again, walked to the window, and looked outside. Everything was fast asleep. At least it looked that way on the surface. Were we both starting to experience auditory hallucinations from Vaelithar?

Wrathion came up behind me, wrapped his arms around me, and kissed my neck softly. »Come back to bed, my sweet.«

IF SHE REJECTS ME, I SHALL BEAR IT
AND IF SHE LOVES ME, I’LL DECLARE IT
IF HEARTACHE BRINGS GREAT NOBILITY
THEN PLEASE, SOMEONE, BRING A BAG TO ME

»What the heck. It’s three in the morning,« Wrathion grumbled, clearly annoyed. He went to the chair where his clothes hung and started getting dressed.
I did the same and followed him into the stairwell. Everything was dark, only now and then lit by a wall sconce. We closed our apartment door quietly behind us and started descending the spiral staircase. Aside from the occasional loudly recited verses, all was eerily silent. As we passed Khadgar’s apartment, his door opened.

THE BIRDS ARE FREEZING IN THE FIELDS
WHERE ARE THE WOMEN, LOVE CONCEALED
I SIT HERE LONELY IN THE NIGHT
NO ONE TO HOLD, NO ONE IN SIGHT
WHERE ARE YOU NOW, MY SILENT BEAUTY
SO WE MAY INDULGE IN LOVE’S SWEET DUTY

»What’s going on here?« yawned Khadgar. He was wearing a bathrobe and a nightcap, and looked quite grumpy. »Why all the racket? I’m trying to sleep!«
»It’s not us. The noise woke us too,« Wrathion grumbled. »We’re trying to find the guy. To wring his neck.«
»A poet, albeit a simple one,« sighed Khadgar. »Must be coming from outside. Hold on, I’ll come with you.« With that, he disappeared back into his quarters, only to return moments later in shirt and trousers.
The three of us crept further down the stairs, interrupted again and again by fresh verses from the simple-minded poet.
Then we stepped outside the school. Everything was quiet. Not a thing stirred.
»Strange,« Khadgar said, scratching his chin. »I could’ve sworn it came from out here. And I swear I know that voice from somewhere.«
But it got us nowhere. The loudmouth had apparently decided on the spot to call it a night—and had gone home.

 

»Did you hear the yelling last night? Ugh, it was awful!« Nila groaned the next morning. We were waiting for our next class with Nyra Black.
»The simple-minded poet? He woke all of us up,« I complained. »Even Khadgar stood in the stairwell in his nightcap, clueless where it was coming from.«
She giggled. »Did you find the culprit?«
»We made it all the way down to the street. Then suddenly it went quiet. Maybe he felt caught.«
»Doesn’t take much,« she muttered. »If you scream your nonsense that loud into the night and wake the whole city…«
I shrugged. »Maybe it was a spell gone wrong? Or someone magically boosted their voice and forgot to turn it off?«
»I don’t care. At night I want one thing: sleep! If I get my hands on that guy, he’ll regret it.«
I nudged her side and laughed. »Wait, who’s the dragon here?«
Nyra Black looked more sleep-deprived than usual when she entered. »Good morning,« she muttered. That was all she said before—as always—asking us to recap what we’d learned.
»You have a dragon as a teacher here?« Nila whispered, surprised. Another person who could see through the humanoid form and recognize the dragon beneath.
»It’s a long story,« I said with a smirk. »I’ll tell you sometime.«
Professor Black shot us both an annoyed look. »Could you possibly save your personal stories for later?«
»Yes, Professor,« we replied in unison and grinned.
And then I got to witness Nila in action for the first time. She was supposed to attack me so I could demonstrate a shield I’d been practicing as homework.
Nila closed her eyes and began to sing in a melodic tone. I couldn’t understand her words. Then something surged toward me—a wave of glowing arcane energy that looked like water.
I summoned my shield, and the wave broke over it, crashing against the wall of the classroom.
Professor Black gave a curt nod. »Good. Mr. Levin and Ms. Kendrace.«
Rodney and Nirvana stepped forward and performed the same exercise.
»What kind of spell was that?« I asked. I’d never seen anything like it before.
»Fluxus Luminaris. It’s simple—if you hit the right note and don’t say the wrong word. One of my aunts once messed that up and had her hands full trying to get all the sea lions out of her house that she accidentally summoned.«
»Sea lions?« I snorted behind my hand, and Nyra Black gave me a sharp look. That was enough to silence me instantly.
Nila’s magic had a completely unique quality. Her technique was similar to ours—but not quite the same.
For example, when she cast a protective shield over herself, the arcane energy rose like waves from the sea, flowing upward until it formed a dome in the center. Ours flowed downward from the middle, like icing on a cake.
But that was purely cosmetic. The effect was identical.

 

To be continued …

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