Stormrider - Teil 87

Von Professor Whitmoore kam ein Räuspern. »Meine Damen, bitte verschiebt das weitere Kennenlernprozedere doch auf nach dem Unterricht.«, sie schmunzelte bei diesen Worten.
»Es geht weiter mit den Lektionen auf Seite 414. Bitte, Rodney, tretet vor.«

»Darf ich dich was fragen?«
Ich war nach der Stunde gemeinsam mit Nila auf dem Weg nach unten, um ihr alles zu zeigen. »Klar, frag nur.«
»Bist du der einzige Drache hier? In Algeth´ar war eher ich die Ausnahme. Überall Drachen«, lachte sie.
»Ja ich bin die einzige Dracthyr, die hier studiert. Warum hast du denn mitten im Jahr gewechselt? Das ist ungewöhnlich.«
Sie nickte. »Ja, sicher, das ist bestimmt untypisch. Ich bin ein nativer Cantamagus. Daran liegt es wahrscheinlich. Man konnte mit mir in Algeth nur wenig anfangen.«
Ich staunte. Cantamagi gab es an Land äußerst selten. Sie arbeiten mit Arkanmagie, allerdings nicht mit Sprüchen, sondern mit Gesang.
Die Sirenen der Ariel, des Meeresvolks, gemeinhin als Meerjungfrauen bekannt, waren grundsätzlich Cantamagi. Nur dass sich Meerjungfrauen so selten an magischen Universitäten auf dem Festland einschrieben.
»Jetzt schau nicht so entgeistert.«, lachte sie. »So herausragend ist das jetzt auch wieder nicht.«
»Ich finde schon. Den Sängerinnen der Ariel wird ziemliche Tödlichkeit nachgesagt.«, grinste ich.
»Ach was, ich bin harmlos. Ich lasse keine Seemänner untergehen. Zumindest im Moment noch nicht. Mal sehen, ob ich später mal drüber nachdenke. Auf einem Stein im Meer zu hocken und mich auf diese Art an den Kerlen zu rächen, die mich ungerechtfertigterweise zurückweisen, ist vielleicht gar keine soo üble Idee.«, grinste sie.
Ich kicherte. »Da drüben ist der Speisesaal. Wollen wir?«
Sie hakte sich bei mir unter und ich zeigte ihr den Turm von unten bis oben, so wie es Alice damals mit mir gemacht hatte.
»Warum bist du bei Alice ausgezogen? Habt ihr euch nicht vertragen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein nein, wir sind gute Freunde. Es hat sich ergeben, dass ich mit meinem Gefährten eine Wohnung hier im Turm bekommen konnte. Wir hatten großes Glück, hier zieht nur selten jemand weg.«
»Du bist schon verschworen?«, jetzt machte Nila große Augen.
»Oho, du kennst dich ja mit den Gebräuchen der Drachen aus.«, staunte ich. »Ja, das bin ich. Er ist ein guter Freund von Khadgar.«
»Du Glückspilz.«, seufzte sie. »Die Typen, die bislang was von mir wollten, waren alle uninteressant. Heute Morgen als ich hier ankam, wollte mir hier in der Stadt sogar so ein komischer Kauz irgendwelche Gedichte vorlesen. Gedichte. Kannst du dir das vorstellen?« Sie sah zur Decke und schnaufte verächtlich.
»Da musst du wohl an George geraten sein.«, mutmaßte ich amüsiert. »Gedichte sind seine Leidenschaft und er trägt sie jedem vor, der nicht schnell genug auf die Bäume kommt.«
»Na, bevor ich mir so einen anlache, bleibe ich lieber solo. Oder ich werde doch noch zur Meerjungfrau und versenke sie alle.«, erklärte sie.
»Ich habe nicht gesucht, vielleicht ist es ja das.«, sagte ich. »Ich habe ihn mit meiner Nase im Buch hier in der Stadt fast umgerannt, als er gerade mit Khadgar spazieren ging.«
Sie kicherte, als ich die Geschichte unseres Kennenlernens kurz zusammengefasst wiedergab. »Kommst du von hier? Aus Dalaran, meine ich?«
»Nein. Ich bin aus dem azurblauen Gebirge. Und du? Wo kommst du her?«, wollte ich wissen.
»Aus Stormwind, da bin ich zum Teil aufgewachsen. Meine Mutter hat mich nach der Herrscherin des Reiches benannt, sie ist ein großer Fan von Königin Nihilora Wrynn. Aber ich mag Nila lieber.« Sie zuckte mit den Schultern. »Das klingt nicht so förmlich.«
Ich erinnerte mich daran, vor einiger Zeit darüber gelesen zu haben, dass der junge König Anduin von Stormwind eine Leerenelfe geehelicht hatte. Ich glaubte auch zu wissen, dass sie auch schon Eltern geworden waren. Aber wie das mit allen Adeligen so war, hatte es mich nie weiter interessiert und bei meinem Besuch hatte ich die Familie des Königs nicht getroffen.
»Lass uns rausgehen. Ich brauche mal frische Luft.«, sagte ich.
Zusammen schlenderten wir eine Weile durch die Stadt und redeten schlichtweg über alles und jeden. Wir waren sofort auf derselben Wellenlänge und irgendwann wurde mir klar, dass ich überhaupt nicht wusste, wie spät es inzwischen war, und ich sah auf meine Taschenuhr. »Ich muss nach Hause und meinen Drachen füttern.«, grinste ich. »Er reagiert im Moment etwas … empfindlich, wenn er nicht weiß, wo ich bin.«
Wir liefen zusammen zurück zum Schulturm und die endlos vielen Stufen hinauf, bis wir bei meinem alten Zimmer angekommen waren.
Sie drehte sich zu mir um. »Danke für den tollen Nachmittag. Wir sehen uns morgen.«
»Bis morgen.«, winkte ich, stieg die restlichen Stufen zu unserer Wohnung hoch, ging hinein und fütterte meinen Drachen.

»IN DALARAN, DA TRAF ICH SIE
SO WUNDERBAR, SO SCHÖN WIE NIE«

Ich gähnte und rieb mir die Augen. Dann sah ich auf meine Uhr. Drei Uhr in der Nacht. Was zum Kuckuck trieb Rath da? Und warum brüllte er so laut so seltsame Sachen?

»DIE SCHÖNSTE ALLER SCHÖNEN FRAUEN
ICH DARF ES MIR BLOSS NICHT VERSAUEN
ZU FRAGEN SIE ZU STILLER STUNDE
OB ICH SIE KÜSSEN DARF AUF IHREN SÜSSEN MUNDE«

Jetzt reicht es mir aber, grummelte ich und blickte neben mich, um den unerwünschten Dichter unverzüglich dazu aufzufordern, doch bitteschön seinen Mund zu halten, so mitten in der Nacht.
Doch es war gar nicht Rath, der mich da mitten in der Nacht geweckt hatte. Denn Rath schlief friedlich neben mir.
Im Moment noch, musste ich sagen. Denn bei diesem Lärm würde es nicht allzu lange so bleiben. Ich stand auf, lief zum Fenster und sah hinaus. Alles dunkel, bis auf die Lichter der Stadt weit unten. Ich zuckte mit den Schultern, kroch wieder unter meine Bettdecke und wollte genau in dem Moment wieder meine Augen schließen, als das Geschrei weiterging:

»O LIEBSTE MEIN WAS SOLL ICH SAGEN
WAS KANN ICH TUN DARF ICH ES WAGEN
VERSCHMÄHT SIE MICH O SCHRECKE
ODER BIN ICH DOCH IHR LIEBSTER RECKE«

Fortsetzung folgt …

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Stormrider - Part 87

A polite throat-clearing came from Professor Whitmoore. »Ladies, please save the rest of the getting-to-know-you routine for after class,« she said with a smirk.
»Let’s continue with the lessons on page 414. Rodney, please come to the front.«

»Can I ask you something?«
After class, I was walking downstairs with Nila to show her around. »Sure, go ahead.«
»Are you the only dragon here? Back in Algeth’ar, I was more the exception. Dragons everywhere,« she laughed.
»Yeah, I’m the only Dracthyr studying here. Why did you transfer in the middle of the year? That’s unusual.«
She nodded. »Yes, definitely not typical. I’m a native Cantamagus. That’s probably why. They didn’t really know what to do with me at Algeth.«
I was amazed. Cantamagi were extremely rare on land. They worked with arcane magic too—but not through spells. Through song.
The sirens of the Ariel, the sea folk commonly known as mermaids, were typically Cantamagi. But mermaids rarely enrolled in magical universities on the mainland.
»Don’t look so stunned,« she laughed. »It’s not that big of a deal.«
»I think it is. The singers of the Ariel are rumored to be pretty deadly,« I grinned.
»Oh please, I’m harmless. I don’t drown sailors. At least not yet. Maybe someday I’ll think about it. Sitting on a rock out at sea and getting revenge on all the guys who turned me down for no good reason doesn’t sound like the worst idea,« she grinned.
I giggled. »That over there is the dining hall. Want to go in?«
She linked arms with me, and I showed her the tower from bottom to top—just like Alice had done for me back then.
»Why’d you move out from Alice’s place? Did you two not get along?«
I shook my head. »No no, we’re good friends. It just happened that I was offered an apartment here in the tower with my partner. We were really lucky. Hardly anyone ever moves out from here.«
»You’re already bonded?« Now Nila’s eyes widened.
»Oho, so you know about dragon customs,« I said, surprised. »Yes, I am. He’s a good friend of Khadgar’s.«
»You lucky thing,« she sighed. »Every guy who’s shown interest in me so far was just… boring. This morning, when I got into town, some weirdo even wanted to recite poetry to me. Poetry. Can you believe it?« She looked at the ceiling and snorted.
»You must’ve run into George,« I guessed, amused. »Poetry’s his thing. He reads it to anyone who can’t climb a tree fast enough.«
»Ugh, I’d rather stay single than fall for a guy like that. Or I’ll turn into a mermaid and drown them all,« she declared.
»I wasn’t looking. Maybe that’s the trick,« I said. »I practically ran him over with my nose in a book here in town—he was out walking with Khadgar.«
She giggled as I gave her a quick rundown of how we met. »Are you from here? I mean, from Dalaran?«
»No. I’m from the Azure Mountains. What about you? Where are you from?« I asked.
»Stormwind. I grew up there, at least partly. My mother named me after the ruler of the realm—she’s a big fan of Queen Nihilora Wrynn. But I prefer Nila.« She shrugged. »It sounds less formal.«
I remembered reading something a while back about young King Anduin of Stormwind marrying a void elf. I thought I’d heard they had a child as well. But like most royal matters, I hadn’t cared much, and I hadn’t met the king’s family during my visit either.
»Let’s go outside. I need some fresh air,« I said.
We strolled through the city for a while, talking about everything and everyone. We were instantly on the same wavelength. At some point, I realized I had no idea what time it was and glanced at my pocket watch. »I need to go home and feed my dragon,« I grinned. »He gets a bit… sensitive lately if he doesn’t know where I am.«
Together we returned to the school tower and climbed the endless stairs until we reached my old room.
She turned to me. »Thanks for the lovely afternoon. See you tomorrow.«
»See you tomorrow,« I waved, climbed the last few steps to our apartment, went inside, and fed my dragon.

 

»IN DALARAN, I FOUND HER THERE
SO WONDERFUL, BEYOND COMPARE«

I yawned and rubbed my eyes. Then I looked at the clock. Three in the morning. What the heck was Rath doing? And why was he shouting such weird things?

»THE FAIREST OF THEM ALL, YOU SEE
I MUST NOT RUIN THIS FOR ME
TO ASK HER IN THE QUIET NIGHT
IF I MAY KISS HER LIPS SO BRIGHT«

That’s it, I thought, grumbling. I looked beside me, ready to tell off the midnight poet and demand some silence at this hour.
But it wasn’t Rath who’d woken me in the middle of the night. Because Rath was sleeping peacefully beside me.
For now, anyway. At that volume, he wouldn’t stay asleep for long.
I got up, walked to the window, and looked out. Everything was dark, except for the lights of the city far below. I shrugged, crawled back under my blanket, and was just about to close my eyes again when the yelling resumed:

»OH BELOVED, WHAT SHALL I SAY
WHAT CAN I DO, DARE I TODAY
WILL SHE SCORN ME, OH WHAT FEAR
OR AM I, HER KNIGHT SO DEAR«

 

To be continued …

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