Stormrider - Teil 29

Ohne dass es Worte gebraucht hätte, wusste Oma sofort, dass sich zwischen uns beiden etwas verändert hatte. Sie begrüßte uns wie jeden Freitag, wenn wir von Dalaran nach Hause kamen, aber sie strahlte heute noch mehr als gewöhnlich. Und sie hatte meinen Lieblingskuchen gebacken. Auf dem Tisch in ihrer Küche stand ein großer Strauß Sonnenblumen und alles glänzte noch viel mehr als sonst.
Sie hatte sogar eine Flasche Cidre aus dem Keller geholt, um mit uns anzustoßen, die sie jetzt geöffnet zusammen mit drei Gläsern auf den Tisch stellte.
»Gibt es was zu feiern?«, erkundigte ich mich irritiert bei ihr.
»Oh ja meine Süßen!«, flötete sie und platzierte tänzelnd noch einige Efeuranken mehr an ihren Fenstern, die sie zuvor aus dem Garten geholt hatte.
»Verrätst du uns auch, was?«, ich öffnete hilflos meine Arme und schaute sie entgeistert an, während Wrathion erstaunt zwischen Oma und mir hin- und hersah.
»Ihr zwei!«, sagte sie, tänzelte weiter um uns herum, und sah dabei so aus, als wolle sie vor Glück gleich platzen.
Ich kratzte mich am Kopf und blickte ratlos zu Wrathion. Ich musste sehr skurril dabei ausgesehen haben, denn er brach in schallendes Gelächter aus.
»Ich glaube, ich verstehe …«, sagte er, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. »Anelia sieht uns das Band an, das Sylithraen.«
»Das … was bitte? Und woher weißt du das?«, fragte ich verständnislos.
»Setz dich, Schätzchen!«, sagte sie entschieden.
»Du ebenfalls, du schlauer Fuchs« lächelte sie Wrathion mütterlich an. Wir setzten uns. »Wenn sich zwei Drachen beginnen zu lieben, bekommen sie beide eine bestimmte Farbe.«, deklarierte Oma jetzt.
Ich sah an mir herunter. Alles noch so wie es vorher gewesen war.
»Nicht so, du Dummerchen.«, lachte sie. »Deine Aura!«
Meine Aura? Jetzt machte sie wohl Scherze.
»Deine Aura. Und deine auch. Sie sind Violett. Beide! Das war letzte Woche noch nicht so. Also habe ich eins und eins zusammengezählt. Ihr seid im Sylithraen« kicherte sie.
Sie nahm unsere Hände in ihre. »Ich freue mich von Herzen für euch beide.«
Ich wurde schon wieder rot bis über beide Ohren. »Danke« sagten wir beide im Chor.
»Und nun stoßen wir auf eure Gesundheit an. Das machen wir Drachen so!« Energisch drückte sie uns ein Getränk in die Hand und wir prosteten uns zu.
Manchmal fühlte ich mich nackt und dies war so ein Moment. Wir Drachen sahen uns einfach untereinander so viel mehr an, als andere Spezies es vermochten. Es war ein ganz normaler Teil unseres Lebens, aber ich wusste eben noch lange nicht über alles Bescheid. Und vom Sylithraen hatte ich noch nie zuvor gehört.

In eine Wolldecke gehüllt und mit warmen Socken bewaffnet, saßen wir an diesem verregneten Wochenende aneinandergekuschelt auf dem Sofa im Wohnzimmer.
Der Geruch des knisternden Kaminfeuers durchzog das Haus und ich blätterte in einem Buch, das ich aus meinem Regal in der Schule mitgebracht hatte.
»Das ist wirklich interessant« sagte Wrathion, der gerade über meine Schulter hinweg auf der Seite gelesen hatte, die ich aufgeschlagen hielt.
»Was?«
»Elisande.«, sagte er. »Elisande hat es anscheinend damals geschafft, Portale zu öffnen, die nicht nur in eine andere Stadt, sondern auch noch in eine andere Zeit führen. Da steht es.« Er zeigte auf die Stelle im Buch.
»Elisande ist tot.«, sagte ich. »Sie hat sich mit Dämonen eingelassen und ihre Leute betrogen. Das ist nicht gerade erstrebenswert.«
»Das weiß ich natürlich. Aber ihr Wissen war bemerkenswert. Ravina war damals unglaublich fasziniert von ihr.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Dieses Wissen wird wohl mit Elisande untergegangen sein, vermute ich. Sie hat einen hohen Preis für ihren Verrat an ihrem Volk und an ihrer Stadt Suramar gezahlt.«
»Ich bin mir nicht sicher.«, sagte er.»Vielleicht ist es auch nicht verlorengegangen. Ich werde Khadgar danach fragen.«
»Mach das«, lächelte ich schulterzuckend. Portale waren langweilig, selbst wenn es solche in die Vergangenheit oder Zukunft gewesen wären. »Mir ist das vollkommen egal. Ich bin am liebsten in der Gegenwart. Bei dir.«
Er seufzte hinter mir und küsste mich auf den Hals. »Ich weiß nicht, womit ich dich verdiene. Ich habe in meiner Vergangenheit Fehler gemacht, die mir so mancher nicht verzeihen will …«
»Das ist mir egal.«, gab ich entschieden zurück. »Ich liebe dich jetzt und hier.« Ich nahm seine Hand in meine und küsste seine Finger einen nach dem anderen.
»Man wirft mir vor …«, begann er erneut.
»Du warst ein Welpe!«, entrüstete ich mich.
»Der König von Stormwind sieht das ganz anders, er wirft mir vor, schuld am Tod seines Vaters zu sein.«
»Also ganz ehrlich«, ich richtete mich auf und drehte mich zu ihm um. »Da warst du vier Jahre alt. Hätte man mir vor neun Jahren irgendwelche weltbewegenden Entscheidungen überlassen, wäre die Welt jetzt wahrscheinlich schon untergegangen.«
»So?« Er hob belustigt die Augenbrauen.
»Wenn du vier Jahre alte Kinder hättest, würdest du ihnen die Weltherrschaft anvertrauen? Oder auch nur irgendeine noch so klitzekleine Entscheidung, die schwerwiegende Folgen für andere haben könnte? Die Frage ist doch viel eher, wo war der rote Schwarm, als du diese Fehler gemacht hast? Sie hatten doch die Verantwortung für dich übernommen, oder etwa nicht?«
»Wenn ich Kinder hätte…«, sinnierte er stirnrunzelnd. Dann sah er mich an. »Willst du irgendwann Kinder haben?«
»Natürlich. Irgendwann, wenn ich mit meinem Studium fertig bin. Aber jetzt lenk nicht vom Thema ab.«, feixte ich.
»So habe ich das noch nicht gesehen. Aber du hast recht. Wo war der rote Schwarm. Die Wahrheit ist, ich bin fortgegangen, sobald ich aus dem Gröbsten war. Ich habe es dort nicht gut ausgehalten. Und nein, natürlich würde ich keinem Vierjährigen die Weltherrschaft anvertrauen.«, lächelte er mein geliebtes schiefes Wrathionlächeln.
»Siehst du, das meine ich. Man kann doch Welpen nicht einfach alles machen lassen.«
»Ich bin mir sicher, du warst ein absolut vorbildlicher Welpe,« erwiderte er und versuchte wirklich, dabei ernsthaft auszusehen.
»Ich war ein ziemlich durchgeknallter Welpe. Nichts war davor sicher, von mir entweder in Flammen gesetzt, oder angeknabbert zu werden. Frag Oma danach!«, kicherte ich. »Also hör auf damit, dir Vorwürfe wegen Entscheidungen zu machen, die du als Winzling gefällt hast. Ich weiß genau, du wolltest nichts Verwerfliches. Der König wird das erkennen. Du warst noch ein Kind, Rath …«, mit einem verschmitzten Grinsen fügte ich hinzu, » … und du bist immer noch eins.« Mit diesen Worten begann ich ihn am Bauch zu kitzeln, bis er schon bald nicht mehr aufhören konnte zu kichern.

Fortsetzung folgt …

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Stormrider - Part 29

Without needing any words, Grandma immediately knew that something had changed between the two of us. She welcomed us like every Friday when we came home from Dalaran, but today she was beaming even more than usual. And she had baked my favorite cake. On the table in her kitchen stood a large bouquet of sunflowers, and everything shone even more than usual.

She had even brought up a bottle of cider from the cellar to toast with us, which she now placed on the table, already opened, along with three glasses.
»Is there something to celebrate?«, I asked her, puzzled.
»Oh yes, my dears!«, she chirped, dancing around as she placed more ivy vines on her windows, which she had fetched from the garden earlier.
»Are you going to tell us what it is?«, I opened my arms helplessly and looked at her in disbelief while Wrathion looked astonished from Grandma to me and back.
»You two!«, she said, continuing to dance around us, looking as if she might burst with happiness at any moment.
I scratched my head and looked at Wrathion in confusion. I must have looked very odd because he burst into loud laughter.
»I think I understand…«, he said after he had calmed down. »Anelia sees the bond between us, the Sylithraen.«
»The… what now? And how do you know that?«, I asked, utterly confused.
»Sit down, sweetheart!«, she said firmly.
»You too, you clever fox«, she smiled at Wrathion maternally. We sat down. »When two dragons begin to fall in love, they both take on a certain color.«, Grandma declared.
I looked down at myself. Everything seemed just as it had before.
»Not like that, silly.«, she laughed. »Your aura!«
My aura? Now she must be joking.
»Your aura. And yours too. They’re both violet. That wasn’t the case last week. So I put two and two together. You’re in the Sylithraen«, she giggled.
She took our hands in hers. »I’m so happy for both of you.«
I blushed furiously again. »Thank you«, we both said in unison.
»And now let’s toast to your health. That’s how we dragons do it!« She energetically pressed a drink into our hands, and we toasted each other.
Sometimes I felt exposed, and this was one of those moments. We dragons could see so much more in each other than other species could. It was a normal part of our lives, but I still didn’t know everything about it. And I had never heard of the Sylithraen before.

Wrapped in a wool blanket and armed with warm socks, we sat cuddled together on the sofa in the living room on this rainy weekend.
The smell of the crackling fire filled the house, and I was flipping through a book I had brought from my school’s library.
»This is really interesting«, Wrathion said, who had been reading over my shoulder on the page I had open.
»What?«
»Elisande.«, he said. »It seems that Elisande managed to open portals not just to another city but also to another time. It’s right there.« He pointed to the spot in the book.
»Elisande is dead.«, I said. »She dealt with demons and betrayed her people. That’s not exactly admirable.«
»I know, of course. But her knowledge was remarkable. Ravina was incredibly fascinated by her back then.«
I shrugged. »That knowledge probably perished with Elisande, I suppose. She paid a high price for her betrayal of her people and her city, Suramar.«
»I’m not so sure.«, he said. »Maybe it didn’t disappear. I’ll ask Khadgar about it.«
»Go ahead«, I smiled, shrugging. Portals were boring, even if they were to the past or future. »I don’t care. I prefer the present. With you.«
He sighed behind me and kissed my neck. »I don’t know what I did to deserve you. I’ve made mistakes in my past that some will never forgive me for…«
»I don’t care.«, I replied firmly. »I love you here and now.« I took his hand in mine and kissed each of his fingers one by one.
»They accuse me of…«, he began again.
»You were a whelp!«, I said indignantly.
»The King of Stormwind sees it very differently; he blames me for his father’s death.«
»Honestly«, I sat up and turned to face him. »You were four years old. If someone had left any world-changing decisions to me nine years ago, the world would probably have ended by now.«
»Really?« He raised his eyebrows in amusement.
»If you had four-year-old children, would you entrust them with world domination? Or even the smallest decision that could have serious consequences for others? The real question is, where was the Red Flight when you made those mistakes? They were supposed to be responsible for you, weren’t they?«
»If I had children…«, he mused, frowning. Then he looked at me. »Do you want to have children someday?«
»Of course. Someday, when I’m done with my studies. But don’t change the subject now.«, I smirked.
»I hadn’t thought of it that way before. But you’re right. Where was the Red Flight? The truth is, I left as soon as I was out of the worst. I couldn’t stand it there. And no, of course, I wouldn’t trust a four-year-old with world domination.«, he smiled that beloved crooked Wrathion smile of his.
»You see, that’s what I mean. You can’t just let Whelps do whatever they want.«
»I’m sure you were an exemplary whelp,« he replied, trying hard to look serious.
»I was a pretty crazy whelp. Nothing was safe from me, either being set on fire or chewed up. Ask Grandma about it!«, I giggled. »So stop blaming yourself for decisions you made as a little one. I know you didn’t intend any harm. The King will see that. You were still a child, Rath…«, I added with a mischievous grin, »…and you still are.« With those words, I started tickling his belly until he soon couldn’t stop giggling.

To be continued …

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