
Stormrider - Teil 2
Valdrakken
Valdrakken
Omas kleines Häuschen im azurblauen Gebirge liegt so versteckt, dass sie stets scherzt, nur wenn sie es erlauben würde, wäre es für Besucher möglich den Weg zu uns finden. Ich für meinen Teil hatte das im Welpenalter selbstverständlich als Wahrheit angesehen und ihr magische Kräfte zugeschrieben.
Wir leben auf einem sonnigen, hochgelegenen Plateau zwischen den Gipfeln, zu dem es nur einen einzigen Zugang gibt: einen schmalen Gebirgspfad, der sich wie eine lange Schlange nach oben in die Berge windet. Selbst die Post wollte hier nicht jeden Tag hinaufkommen, so dass mein Brief aus Dalaran einige Tage verspätet angekommen war.
Omas Garten war für mich immer schon einer der schönsten Orte. Er enthält die verschiedensten Bäume, Sträucher und Blumen aus aller Welt, denn Oma hatte hier in ihren jungen Jahren alles gepflanzt, dessen sie habhaft werden konnte. Sie liebt Blumen in allen Farben und stets findet sich ein selbst gepflückter Strauß auf dem Tisch inmitten ihrer gemütlichen kleinen Küche.
Es war nicht groß, Omas Häuschen. Aber das war nicht wichtig, denn es hatte ausreichend Platz für die Familie. Ich hatte Papas altes Zimmer im Obergeschoss bezogen, als ich ein Welpe war.
Meine Mutter und mein Vater hatten sich jung kennengelernt und recht schnell verschworen. Seit dieser Zeit bis zum heutigen Tag sind sie wie ein unzertrennliches paar Zugvögel zusammen überall in der Welt unterwegs, um ihre archäologischen Studien durchzuführen. Und Oma, die schon allein lebte, währenddessen ich aus dem Ei stieg, erklärte sich seinerzeit sofort bereit, mich großzuziehen.
In meinen Augen hätte es nicht besser laufen können, denn Lady Anelia Dorothea Stormrider, war für mich die beste Mutter, die es nur gab.
Dennoch war mein Verhältnis zu meinen Eltern stets herzlich. Wir verbringen Feiertage und Ferien grundsätzlich in der Familie zusammen zu Hause. Und zukünftig würde ich Oma allein zurücklassen, weil ich nach Dalaran ziehen würde, was nicht unbedingt dazu beitrug, dass ich mich unbeschwert freuen konnte. Das bereitete Oma in ihrer Euphorie scheinbar gar keine Sorgen.
Ein paar Tage nachdem der Brief aus Dalaran eingetroffen war, wollten Oma und ich einige der Utensilien besorgen, die ich für mein Studium benötigen würde, und nahmen einen Linienflieger vom nächstliegenden Dorf nach Valdrakken, der Hauptstadt der Dracheninseln. Wie überall in Azeroth sonst, nutzte man für diese Dienste extra dafür von Flugmeistern ausgebildete fliegende Wesen, die jede Strecke fast schon im Schlaf kannten.
Oma, die ein paar Meter vor mir hoch in der Luft auf ihrem Liniendrachen saß, winkte mir zu und rief: »… besuchen zuerst die Biblio …«
Aber der Wind sauste so laut in meinen Ohren, dass ich sie kaum hören konnte, also winkte ich nur kurz zurück und gab ihr schulterzuckend zu verstehen, dass ich nichts verstanden hatte. Sie würde wohl mit der Erläuterung ihrer Tagesplanung warten müssen, bis wir gelandet waren. Aber Valdrakken war vom azurblauen Gebirge nicht allzu fern und der Flug dauerte nicht lange.
Schon von weitem war beim Anflug für Reisende deutlich zu erkennen, dass es sich bei der Residenz auf die wir zuflogen, nur um die Hauptstadt der Drachen handeln konnte. Überall waren Ornamente an den Gebäuden, die an Drachenköpfe oder Drachenflügel erinnerten. Und wo in Städten auf anderen Kontinenten die Standbilder bedeutender Menschen und Zwerge an prominenter Stelle zu bestaunen waren, fanden sich hier die Statuen berühmter Drachen.
Mein Liniendrache landete auf dem Flugplatz von Valdrakken, streckte sich leicht und ließ mich dann absteigen. Nachdem er mit einem freundlichen Stups an meine Hüfte erfolgreich ein Leckerli aus meiner Manteltasche eingefordert hatte, rollte er sich genüsslich schnurrend im Uhrzeigersinn neben seinem Flugmeister, einem älteren Drakoniden mit gutmütigen Augen, zusammen und begann leise aber deutlich vernehmbar zu schnarchen.
Oma strich ihre Kleider glatt – sie hatte ihren besten Mantel und ihren großkrempigen Hut mit Blumen für diesen Ausflug in die Stadt angezogen – und lief voller Tatendrang energisch voran. »Wir besuchen zuerst die Bibliothek und besorgen dir deine Bücher«, verkündete sie, so als gäbe es diese nur noch kurze Zeit.
Ich versuchte, mit ihr Schritt zu halten und sie einzuholen. »Wäre es nicht schlauer, zuerst die weniger … gewichtigen Gegenstände zu beschaffen?«, fragte ich sie. Aber in dieser Frage ließ sie sich nicht beirren und schüttelte nur den Kopf.
»Erst die Bücher, Schätzchen. Das dauert am längsten!«
In Valdrakken herrschte wie stets geschäftiges Treiben. Im warmen Sonnenschein waren allerlei Leute unterwegs. Hochgewachsene Elfen verschiedenster Art kreuzten unseren Weg zur Bibliothek, ebenso wie viele andere Vertreter der unterschiedlichsten azerothianischen Völker.
Wenn Reisende das erste Mal hierherkamen, blieb den meisten der Mund vor Staunen offen stehen. Denn diese Stadt war in ihrer Pracht kaum zu übertreffen.
Aber bei weitem das Beste waren die herrlichen Aussichtsplattformen Valdrakkens.
Da hier die körperlich größten, ältesten und mächtigsten Drachen der großen Schwärme, die Drachenaspekte, ihren hoch oben in den Wolken liegenden Sitz hatten, gab es in dieser Metropole Türme, die bis in den Himmel ragten. Auf den sich am oberen Ende zu riesigen Plattformen erweiterten Türmen, fanden diese großen Drachen genug Platz und man hatte von dort oben eine herrliche Aussicht auf die Stadt und das Umland.
Oma hatte mich oft in meiner Welpenzeit hier mit hinauf genommen und ich hatte stets alles mit großen Augen bestaunt. Sogar einen Blick auf Alexstrasza, die prachtvolle Königin der Drachen, hatte ich zu dieser Zeit erhascht. Sie war in ihrer natürlichen Gestalt um so vieles riesiger als Oma. Und sie hatte immer so schönen Schmuck getragen …
Ich riss mich aus meinen Erinnerungen und hastete Oma hinterher. Sie war inzwischen vor der Tür der Bibliothek angelangt und wartete dort auf mich. Ich schob die Tür auf und wir traten ein.
Oma schritt bewaffnet mit meinem Bücherzettel schnurstracks auf die nächststehende Bibliothekarin zu, eine etwas rundliche Menschenfrau mit einem Dutt und einer halbmondförmigen Brille, die weit vorne auf ihrer runden Nase saß.
»Seid gegrüßt! Meine Enkelin braucht alle diese Bücher, bitte!«,sprach sie die Dame in feierlichem Tonfall an und ergänzte dann noch »Sie geht nämlich nach Dalaran und studiert dort Magie!« Oma überreichte der Angestellten meinen Zettel fast schon mit einer andächtigen Geste.
Ich sah zur Decke und schnaubte. Oma übertrieb es wieder mal.
Die Frau sah erst Oma und in der Folge mich fragend an und daraufhin lächelte sie strahlend »Magie in Dalaran … wie wunderbar!!« Sie schaute auf meinen Zettel. »Dann wollen wir doch mal sehen, was Ihr so alles braucht.«
Die Bibliothekarin huschte geschäftig zwischen den riesigen Bücherregalen hin und her, stieg flink wie ein Eichhörnchen auf unmöglich hohen Leitern herum und fing wie Vögel im Raum herumflatternde Bände dabei mit akrobatischer Kunstfertigkeit mit einer Hand ein. Der Stapel Bücher auf dem Tisch vor uns wurde stetig größer.
»Da haben wir ‚Arkanes für Anfänger‘«, murmelte sie und packte ein weiteres Buch auf meinen jetzt schon nicht unbeträchtlichen Haufen. ‚Eiskalt erwischt: Frostzauber im Alltag‘ landete ebenso dort, wie ‚Portal-Pannen: Wie man nicht in der Wand endet‘. Schwungvoll legte sie ‚Zaubertrankzubereitung für Zauderer‘ und ‚Eiszauber für Einsteiger‘ dazu. Und während ich mir so langsam ernsthaft Gedanken machte, wie ich um alles in der Welt diese unfassbare Menge irre schwerer Wälzer transportieren sollte, ohne mir einen Bruch zu heben, huschte sie gut gelaunt weiter und legte noch ‚magische Missgeschicke meistern‘ und ‚Runenritzen für Rastlose‘ oben drauf. »Wo liegt schon wieder ‚Feuerzauber für Frostbeulen‘, Sally?«, sprach sie ihre Kollegin um die Ecke an, die daraufhin mit einem weiteren nicht geraden dünnen Heftchen im Arm zu uns kam. Ich zählte inzwischen dreiundzwanzig Bücher, aber die Frau suchte weiter und weiter. »Jetzt noch die drei Bände ‚Portalpraxis für Profis‘, dann haben wir alles.«, sagte sie nach einem abschließenden Blick auf meinen Zettel.
»Aber…«, begann ich, mittlerweile nicht wenig verzweifelt. »Oma! Wie sollen wir bloß all diese Wälzer transportieren?«
»Darüber machen sie sich mal keine Gedanken.«, antwortete die Bibliothekarin. »Ihre Bücher werden von uns direkt in Ihre Schule geliefert.« Sie lächelte wohlwollend und begann damit, diesen unfassbar großen Berg dicker ledergebundener Wälzer auf ein winziges wackeliges Wägelchen zu stapeln, das so aussah, als würde es unter dem Gewicht jeden Moment zusammenbrechen. Das alte Holz ächzte mit jedem weiteren Buch, das hinzugefügt wurde. Letztlich waren alle Bücher aufgeladen und die Frau rief erneut nach ihrer Kollegin, die nebenan Bücher in ein Regal einräumte.
»Ich brauche eine Kennkarte und einen Transport, Sally.«
Sally flitzte davon und kam kurz darauf mit einem kleinen Zettel zurück, den sie meiner Bibliothekarin in die Hand drückte.
»Ich benötige ihre Schülernummer, bitte!« Ich wühlte in meinem Dalaraner Briefumschlag. »Ähhm …1717!« Die Bibliothekarin schrieb meine Nummer auf die Kennkarte und legte diese in das Buch, welches zuoberst auf dem Wägelchen lag.
Sally hatte inzwischen ein Portal zur Schule in Dalaran geöffnet, in das das klapprige Wägelchen auf seinen unglaublich laut quietschenden winzigen Rädchen hineingeschoben wurde und schließlich verschwand. Das Portal schloss sich wieder und meine Bibliothekarin klatschte freudig in die Hände »So. Alles erledigt.«
Fortsetzung folgt …
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Stormrider - Part 2
Valdrakken
Grandma’s little house in the azure mountains is so well hidden, she always jokes that only with her permission can visitors find their way to us.« As a Whelpling, I naturally believed this to be true and attributed magical powers to her.
We live on a sunny, high plateau between the peaks, accessible only by a single mountain path that winds up like a long snake. Even the mail doesn’t come up here every day, which is why my letter from Dalaran arrived a few days late.
Grandma’s garden has always been one of my favorite places. It contains various trees, shrubs, and flowers from around the world because Grandma planted everything she could get her hands on in her younger years. She loves flowers in all colors, and there’s always a hand-picked bouquet on the table in her cozy little kitchen.
Grandma’s house wasn’t large, but it had enough space for the family. I took over Dad’s old room upstairs when I was a whelpling. My mother and father met young and quickly became inseparable. They have been traveling the world together for their archaeological studies ever since. And Grandma, who was living alone when I hatched, immediately agreed to raise me.
In my eyes, it couldn’t have turned out better, as Lady Anelia Dorothea Stormrider was the best mother one could ask for.
My relationship with my parents has always been warm. We spend holidays and vacations together at home. Soon, I would be leaving Grandma alone as I moved to Dalaran, which made it hard to feel completely happy. But Grandma, in her excitement, didn’t seem worried at all.
A few days after the letter from Dalaran arrived, Grandma and I wanted to get some of the supplies I would need for my studies and took a flight from the nearest village to Valdrakken, the capital of the Dragon Isles. Like everywhere else in Azeroth, these services were provided by flying creatures trained by flight masters, who knew every route almost by heart.
Grandma, who was flying a few meters ahead of me on her passenger dragon, waved and called out, »… visit the library first …« But the wind was so loud in my ears that I could hardly hear her, so I just waved back and shrugged to show I didn’t understand. She would have to explain her plans after we landed. Valdrakken wasn’t far from the azure mountains, and the flight didn’t take long.
Approaching the city, it was clear to travelers that the residence we were flying to could only be the capital of the dragons. The buildings were adorned with dragon-head and dragon-wing ornaments. Where other cities had statues of important humans and dwarves, here stood statues of famous dragons.
My passenger dragon landed at Valdrakken’s airfield, stretched lightly, and let me dismount. After nudging my hip for a treat from my coat pocket, it curled up next to its flight master, an older Drakonid with kind eyes, and began to snore softly but audibly.
Grandma smoothed her clothes—she wore her best coat and a wide-brimmed hat with flowers for this city trip—and marched ahead with determination. »We’ll visit the library first to get your books,« she announced as if they were in limited supply. I tried to keep up with her pace. »Wouldn’t it be smarter to get the lighter items first?« I asked. But she shook her head. »Books first, dear. That takes the longest!«
Valdrakken was bustling as always. Under the warm sun, all sorts of people were out and about. Tall elves of various kinds crossed our path to the library, as did many representatives of Azeroth’s different races.
First-time visitors to the city often stood with mouths agape, for this city was unmatched in its splendor. But the best part was Valdrakken’s magnificent observation platforms.
Here, the physically largest, oldest, and most powerful dragons of the great flights, the dragon aspects, had their seats high in the clouds. The towers, which expanded into huge platforms at the top, provided ample space for these great dragons and offered a splendid view of the city and its surroundings.
Grandma often took me up there in my puppy days, and I always marveled with wide eyes. I even caught a glimpse of Alexstrasza, the magnificent dragon queen, who in her natural form was so much larger than Grandma. And she always wore such beautiful jewelry…
I snapped out of my memories and hurried after Grandma. She had already reached the library door and was waiting for me. I pushed the door open, and we stepped inside.
Grandma, armed with my book list, headed straight for the nearest librarian, a slightly plump human woman with a bun and crescent-shaped glasses perched on her round nose.
»Greetings! My granddaughter needs all these books, please!« she said in a ceremonious tone, adding, »She’s going to study magic in Dalaran!« Grandma handed the employee my list almost reverently.
I sighed, Grandma was overdoing it again.
The woman looked first at Grandma, then at me, and then smiled brightly. »Magic in Dalaran… how wonderful!!« She looked at my list. »Let’s see what you need.«
The librarian bustled about between the massive bookshelves, scampering up impossibly high ladders like a squirrel and catching fluttering volumes with one-handed acrobatic skill like birds in flight. The stack of books on the table before us grew steadily larger.
»Here we have ‚Arcane Arts for Amateurs’«, she murmured, adding another book to my already considerable pile. ‚Caught Cold: Frost Magic in Daily Life‘ landed there as well, alongside ‚Portal Pitfalls: How Not to End Up in a Wall‘.
With a flourish, she placed ‚Potion Preparation for Procrastinators‘ and ‚Ice Spells for Initiates‘ on the pile. And as I began to seriously ponder how on earth I was supposed to transport this incredible amount of incredibly heavy tomes without breaking my back, she cheerily continued and added ‚Mastering Magical Mishaps‘ and ‚Rune Carving for the Restless‘ on top. »Where is ‚Fire Spells for the Frostbitten‘, Sally?« she called to her colleague nearby, who then came over to us with another not-so-thin booklet in her arms.
I was counting twenty-three books by now, but the woman kept searching. »Just need the three volumes of ‚Portal Practices for Professionals‘, then we’ll have everything,« she said after a final glance at my list.
»But…« I began, now quite desperate. »Grandma! How are we supposed to transport all these books?«
»Don’t worry about that,« the librarian replied. »Your books will be delivered directly to your school.« She smiled benevolently and began stacking the enormous pile of thick, leather-bound tomes onto a tiny, wobbly cart that looked like it would collapse under the weight at any moment. The old wood creaked with each additional book. Finally, all the books were loaded, and the woman called for her colleague again, who was arranging books on a shelf nearby.
»I need a transport tag and a delivery, Sally.«
Sally hurried off and soon returned with a small slip of paper, which she handed to my librarian.
»I need your student number, please!«
I fumbled through my Dalaran envelope. »Um …1717!«
The librarian wrote my number on the tag and placed it in the book on top of the cart.
Sally had meanwhile opened a portal to the school in Dalaran, through which the rickety cart with its incredibly loud, squeaky wheels was pushed and finally disappeared. The portal closed, and my librarian clapped her hands joyfully, »All done.«
To be continued …
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