Stormrider - Teil 147
Der Weg führte wieder nach draußen. Doch dieses Mal erwartete uns kein simpler Trampelpfad zwischen ein paar Felsen. Kunstvoll und doch schrecklich sahen sie aus, die breiten, grauschwarzen Wege, über die wir nun gingen. Die hohe Brücke über das Nichts führte zu einem Plateau, auf dem ein einzelnes Wesen in einer Nische stand und mit etwas hantierte, das wir nicht sehen konnten.
Als wir nähertraten, drehte es sich zu uns um.
Es war ein Goblin – zumindest war die Ähnlichkeit frappierend – allerdings war dieser Goblin hier bleich, als wäre er gerade seinem Grab entstiegen. Er hatte giftgrüne, leuchtende Augen, wie sie Dämonenjäger in unserer Welt meist hatten, und seltsamerweise besaß er so große Hauer wie ein Zandalaritroll, die aus seinem Mund ragten wie die Stoßzähne eines Elefanten.
»Ohhh!«, rief er. »Besucher, die eigentlich nicht hierhergehören. Ist es nicht so?«
»Ich grüße Euch.« Nyra ging einen Schritt auf ihn zu, doch er hob sofort abwehrend die Hand.
»Nein!«, rief er. »Nicht hierher. Nicht hierher! NICHT HIERHER!«
»Hört doch, wir sind …«, begann Nyra erneut, aber der Goblin hörte gar nicht zu. Stattdessen drehte er sich wieder zu seinem Tisch um und fuhr mit seiner Arbeit fort.
»Sie werden sehen, was es ihnen einbringt, hier herumzuschleichen«, sagte er dann. Er drehte sich wieder zu uns, grinste irre – und sagte nur noch ein Wort:
»Tarragrue!«
Nyras Miene entgleiste.
»Lauft!«, sagte sie.
Wir starrten sie einen Moment lang entgeistert an, während in der Ferne plötzlich ein dumpfes Stampfen immer näher kam. Es war nicht schnell – aber es kam gleichmäßig. Unaufhaltsam. Und es wurde lauter.
»LAUFT!«, brüllte Nyra uns an – und wir schnappten unser Zeug und rannten los.
»Ahahahahahaaa!«, kreischte uns der Goblin voller Vergnügen hinterher. »Tarragrue kommt euch holen! Und er findet euch! Ihr könnt euch vor ihm nicht verstecken!«
»Scheiße. Scheiße. Scheiße.«, fluchte Nyra, während sie rannte.
»Was zum Teufel ist das?«, keuchte Nila, ihr Gesicht panisch.
»Der Tarragrue.«, antwortete Nathiel. »Glaub mir – dem willst du nicht begegnen.«
»Wartet!«, rief Nila und sah sich um. Wir hatten eine weitere Brücke überquert und standen nun auf einer neuen Plattform.
»Hier gibt es genug Platz.«
»Komm, Mädchen, wir müssen weiter!«, keuchte Nyra und wollte sie weiterziehen.
»Nein – ihr versteht mich nicht«, antwortete Nila, schwer atmend. »Ich kann uns abschirmen. Wir können uns nicht vor diesem Ding verstecken, das hat er gesagt – aber er kennt meine Schilde nicht. Ich kann uns komplett abschirmen. Dann kann er sogar durch uns hindurchlaufen – und wird uns nicht wahrnehmen.«
Das Stampfen wurde lauter.
Nyra fuhr sich hektisch durchs Haar, nickte dann. »Gut. Es ist einen Versuch wert. Leg los.«
Nila zeichnete einen leuchtenden Kreis am Rand der Plattform, trat in die Mitte und sprach die Beschwörungsformel der Ariel. Dann hielt sie inne und sah uns an:
»Worauf wartet ihr noch? Zu mir! Jetzt!!«
Wir rannten zu ihr – und sie rief die Wasserbarriere herbei. Wellen brandeten um uns, wuchsen empor, bis die Kuppel geschlossen war. Dann wurde es stiller.
Nur das Stampfen war noch zu hören.
»Ihr dürft euch nicht rühren, wenn er kommt.«, flüsterte Nyra und starrte in die Richtung, aus der wir gekommen waren. »Er hat ein unglaublich gutes Gehör.«
»Aber die Kuppel schirmt uns doch ab, oder nicht?«, trat Carla nervös von einem Fuß auf den anderen.
»Schon.«, nickte Nyra. »Aber ich würde es nicht drauf ankommen lassen. Er braucht nur einen Schlag – und du bist Geschichte.«
Wir warteten.
Wie Kaninchen in der Falle, dachte ich. Und in dem Moment, als ich ihn sah, wusste ich, warum Nyra so panisch gewesen war:
Der Tarragrue trat am anderen Ende der Brücke ins Blickfeld.
Eine gewaltige Gestalt – gehüllt in Rüstung, nicht geschmiedet, sondern aus Strafe gegossen.
Hörner ragten aus seinem leeren Helm wie die Krallen eines gefangenen Gottes. Seine Schultern trugen Spitzen, höher als sein eigener Leib.
Schatten krochen um seine Beine – kein Rauch, sondern Absicht.
Er war kein Gegner.
Er war ein Konzept.
Der Tod als Idee.
Nyra hob den Finger an die Lippen. Die Stille war jetzt absolut.
Nila stand mit erhobener Hand in der Mitte der Kuppel, die Augen fest geschlossen. Sie murmelte tonlos die Formel.
Ich starrte hinaus.
Der Tarragrue war da.
Jeder Schritt ließ den Boden unter uns vibrieren.
Nicht wie ein Schritt.
Wie das letzte Glockenläuten.
Die Schatten zuckten – suchend. Prüfend.
Ich spürte Nila neben mir wie einen Draht unter Strom. Ihre Tarnung hielt.
Aber Magie ist nie absolut.
Dann …
Blieb er stehen.
Direkt neben uns.
Er rührte sich nicht.
Nur sein Helm – langsam, unmerklich – neigte sich erst nach rechts, dann nach links.
Ich schwor: Er sah uns.
Drei Atemzüge vergingen wie eine Ewigkeit.
Meine Gedanken wurden flach, fast lautlos, als könnte er sie hören.
Ein Zucken.
Seine Klaue bewegte sich.
Und ich wusste: Er hatte uns nicht gehört. Aber er hatte etwas anderes erwartet. Etwas, das nicht da war.
Langsam – wie ein sinkender Mond – drehte er sich.
Und stapfte weiter.
Die Schatten blieben noch lange.
Als die Schritte des Ungetüms verklungen waren, ließ Nila den Schild fallen und atmete tief durch.
»Er sucht uns immer noch, da bin ich sicher.«
»Es ist auch nicht normal, dass ihm etwas durch die Lappen geht«, grinste Nathiel breit. »Normalerweise findet er, was er sucht. Deshalb hat er auch keine Eile. Aber irgendetwas hier hat ihn definitiv irritiert, denn stehenbleiben und sich umsehen – das ist absolut untypisch. Wir sollten zusehen, dass wir ins Innere des Sanktums kommen. Da sind wir vor ihm sicher.«
»Wir sollten zusehen, dass wir zu … den Artefakten kommen«, stöhnte ich. »Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, aber gefühlt sind wir schon Ewigkeiten hier drin. Und ich habe das Gefühl, dass uns die Zeit davonläuft.«
Nyra nickte zustimmend. »Weiter geht’s.«
Ich sah Nila dankbar an. Wenn sie nicht gewesen wäre, wären wir jetzt nicht mehr hier. Ich war heilfroh, dass sie bei uns war – ihre Schilde und Heilzauber waren mehr als unersetzlich.
Mit einem wissenden Lächeln legte sie ihre Hand auf meinen Arm. »Ist schon gut. Ich wusste irgendwie, dass ich helfen kann. Das war reiner Instinkt.«
»Hört auf zu trödeln, Leute«, murrte Nyra und zeigte auf den Weg. »Wir müssen weiter.«
Es ging über weitere Plattformen und Brücken, bevor wir erneut vor einem dieser düsteren Eingänge zum Turm standen.
Nyra sah sich um, dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Das ist er! Da ist der Eingang zum inneren Sanktum.« Sie deutete auf eine Tür im hinteren Bereich des riesigen Raumes, in den wir jetzt eingetreten waren.
Nathiel lief wieder neben mir. »Wenn es soweit ist, werde ich mich eine Weile verbergen müssen. Sie soll erst im letzten Moment erkennen, mit wem sie es zu tun hat. Wenn sie nicht weiß, was wir zusammen sind, haben wir einen klaren Vorteil.«
Ich nickte stumm. Meine Gedanken kreisten nur noch um die Aufgabe, die vor uns lag. Die Aufgabe, die jetzt vor mir lag. Ich würde jemanden töten müssen, um zu bekommen, was ich wollte. Ich hatte keine andere Wahl.
Seltsamerweise machte mich dieser Gedanke nur noch entschlossener. Denn das, was heute anstand, hätte ich schon vor sehr, sehr langer Zeit tun sollen. Dass ich es nicht getan hatte, hatte erst dazu geführt, dass all das geschehen war.
Ich hätte schon nach meiner Entführung dafür sorgen müssen, dass Ravina ihr elendes Leben verlor. Aber ich hatte sie unterschätzt. Hatte ihr einfach nicht zugetraut, zu tun, was sie letztlich getan hatte.
Und nun war mein Liebster in Lebensgefahr – und vielleicht kamen wir zu spät.
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, und ich zwang mich, nicht weiter über das nachzudenken, was das bedeuten könnte.
Es durfte einfach nicht schiefgehen.
Wir würden es schaffen.
Fortsetzung folgt …
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Stormrider - Part 147
The path led outside again. But this time we weren’t met with a simple dirt trail between a few rocks. The broad gray-black walkways stretching before us looked ornate and yet horrific at the same time. The high bridge over the emptiness led to a plateau where a lone creature stood in a niche, working on something we couldn’t see.
As we approached, it turned toward us.
It was a goblin – or at least the resemblance was striking – though this one was pale as if he had just crawled out of his grave. His eyes glowed a toxic green like those of demon hunters in our world, and strangely, he had oversized tusks like a Zandalari troll, jutting from his mouth like an elephant’s.
»Ohhh!« he cried. »Visitors who don’t really belong here. Isn’t that right?«
»I greet you.« Nyra stepped toward him, but he immediately raised a hand to stop her.
»No!« he shouted. »Not here. Not here! NOT HERE!«
»Listen, we are—« Nyra began again, but the goblin wasn’t listening at all. Instead, he turned back to his little table and kept working.
»They will see what comes of sneaking around here,« he said. Then he turned, grinning wildly – and spoke a single word:
»Tarragrue!«
Nyra’s expression collapsed.
»Run!« she said.
We stared at her in disbelief for a heartbeat as a deep, distant thudding sound drifted toward us. It wasn’t fast – but steady. Relentless. And growing louder.
»RUN!« Nyra roared – and we grabbed our gear and bolted.
»Ahahahahahaaa!« the goblin shrieked after us, delighted. »Tarragrue’s coming for you! And he’ll FIND you! You can’t hide from him!«
»Shit. Shit. Shit.« Nyra cursed as she ran.
»What the hell is that?« Nila panted, her face white with panic.
»The Tarragrue,« Nathiel said. »Trust me – you don’t want to meet him.«
»Wait!« Nila yelled, looking around. We had crossed another bridge and now stood on a new platform.
»There’s enough space here.«
»Come on, girl, we have to keep going!« Nyra wheezed, trying to pull her along.
»No – you’re not getting it,« Nila gasped. »I can shield us. We can’t hide from that thing, he said it himself – but he doesn’t know my shields. I can cloak us completely. He can walk right through us and won’t even perceive us.«
The thudding grew louder.
Nyra shoved her fingers through her hair, frantic, then nodded. »Fine. It’s worth a try. Do it.«
Nila traced a glowing circle at the platform’s edge, stepped into the middle, and spoke the summoning formula of the Ariel. Then she paused and looked at us:
»What are you waiting for? Get in here! NOW!!«
We rushed to her – and she raised the water barrier. Waves surged around us, rising until the dome sealed shut. Then everything grew quieter.
Only the thudding remained.
»Don’t move when he comes,« Nyra whispered, staring into the direction we’d come from. »He has incredible hearing.«
»But the dome will cloak us, right?« Carla shifted nervously from foot to foot.
»It will,« Nyra nodded. »But I wouldn’t risk it. One hit from him – and you’re gone.«
We waited.
Like rabbits in a snare, I thought. And the moment I saw him, I understood why Nyra had panicked:
The Tarragrue stepped into view at the far end of the bridge.
A massive figure – clad in armor not forged, but cast from punishment itself.
Horns jutted from his empty helmet like the claws of a trapped god. His shoulders bore spikes taller than he was.
Shadows crawled along his legs – not smoke, but intention.
He wasn’t an enemy.
He was a concept.
Death as an idea.
Nyra lifted a finger to her lips. Silence became absolute.
Nila stood in the center of the dome, one hand raised, her eyes shut tight. She murmured the formula soundlessly.
I stared outward.
The Tarragrue was here.
Each step made the ground vibrate under us.
Not like footsteps.
Like the final toll of a bell.
The shadows twitched – searching. Testing.
I felt Nila beside me like a wire under tension. Her disguise held.
But magic is never absolute.
Then…
He stopped.
Right beside us.
He didn’t move.
Only his helmet – slowly, almost imperceptibly – tilted first to the right, then to the left.
I swear: He saw us.
Three breaths stretched into an eternity.
My thoughts flattened, becoming nearly silent as if he could hear them.
A twitch.
His claw shifted.
And I knew: He hadn’t heard us. But he had expected something else. Something that wasn’t there.
Slowly – like a sinking moon – he turned away.
And moved on.
The shadows lingered long after he left.
When the creature’s steps finally faded, Nila let the shield fall and exhaled shakily.
»He’s still looking for us, I’m sure of it.«
»It’s not normal for anything to slip past him,« Nathiel said with a broad grin. »Usually he finds whatever he’s hunting. That’s why he’s never in a rush. But something here definitely threw him off. Stopping and looking around – that’s absolutely unheard of. We need to get inside the Sanctum. He won’t follow us there.«
»We need to get to… the artifacts,« I groaned. »I have no idea what time it is, but it feels like we’ve been in here forever. And it feels like time is running out.«
Nyra nodded. »Let’s move.«
I gave Nila a grateful look. If not for her, we wouldn’t still be here. I was beyond relieved she was with us – her shields and healing spells were irreplaceable.
With a knowing smile, she placed a hand on my arm. »It’s alright. I just… knew I could help. Pure instinct.«
»Stop dawdling, all of you,« Nyra grumbled, pointing up the path. »We have to go.«
We crossed more platforms and bridges before reaching yet another of those ominous entrances to the tower.
Nyra scanned the area, then her face brightened. »This is it! That’s the entrance to the inner Sanctum.« She pointed to a door at the back of the enormous chamber we had entered.
Nathiel walked beside me again. »When the time comes, I’ll need to hide for a while. She must only realize at the last moment who she’s dealing with. If she doesn’t know what we are together, we have the upper hand.«
I nodded silently. My thoughts revolved around the task ahead. My task. I would have to kill someone to get what I wanted. I had no choice.
Strangely, that thought only made me more resolved. Because what had to be done today… I should have done long, long ago. Not doing it had led to all of this.
I should have ended Ravina the moment I escaped her. But I had underestimated her. Hadn’t believed she would truly go as far as she did.
And now my beloved was in danger – and we might be too late.
A lump rose in my throat, and I forced myself not to think about what that might mean.
This couldn’t go wrong.
We would succeed.
To be continued …
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