Stormrider - Teil 144
Wir ritten langsam, vermieden jede unnötige Aufmerksamkeit. Eine Horde wild galoppierender Leute hätte nur unerwünschte Blicke auf sich gezogen.
Einige Bewohner dieser Lande kreuzten unseren Weg durch das schwarze, zerrissene Land. Gelinde gesagt: Ich hätte nicht sagen können, was sie überhaupt waren. Sie saßen auf Reittieren – eine Art hundeähnliche Kreaturen, durch die man stellenweise hindurchsehen konnte, genau wie bei ihren Reitern. Nur Fragmente ihrer Hüllen waren überhaupt sichtbar. Ich fragte mich, was mit diesen Wesen wohl geschehen war, dass sie so in die Ewigkeit eingegangen waren. Aber diese Antwort würde mir wohl für immer verschlossen bleiben.
Wir erreichten die Außenmauern einer Art Burg. Vor den Toren standen maskierte Wächter so still, dass man sie für tot halten konnte.
Wir bogen jedoch links ab, noch bevor wir die Tore erreicht hatten. Die schwarzen Gesteinsmassen rechts und links wurden immer höher, und schließlich schlossen sie uns in einem Tal ein, aus dem es keine anderen Wege mehr gab als vor – oder zurück.
Nima tänzelte nervös, noch bevor ich das Flüstern hören konnte.
»Kommt zu mir. Ich habe ihn hier, euren Prinzen«, schmeichelte die Stimme, die von überallher zu kommen schien.
Mein Griff um Nimas Zügel wurde fester und ich gab ihr ein Zeichen, weiterzugehen. Es weiß, was ihr wollt, hatte Ve’nari gesagt. So leicht würde ich es diesem verfluchten Ort nicht machen.
Aus einem See, an dem wir vorbeikamen, reckten sich uns Hände entgegen – nichts als bleiche Knochen – ,bevor sie wieder in der Lava versanken. Und es roch nach Schwefel und Verfall.
Einen passenderen Ort hätten Xal und Ravina für ihre Untaten wirklich nicht finden können.
»Das gefällt mir wirklich nicht«, murmelte Carla, nachdem sie zu uns aufgeschlossen hatte. »Meint ihr, sie wissen, dass wir kommen?«
»Nein«, entgegnete Nyra entschieden. »Ve hat hier alles unter Kontrolle. Seit der Kerkermeister verschwunden ist, kommt hier unten niemand unbemerkt an ihr vorbei. Wären Xals oder Ravinas Leute unterwegs – sie hätte es gewusst.«
Das schien Carla etwas zu beruhigen. Ihre Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. »Gut.«
»Aber sobald wir das Sanktum betreten, kann sich das ändern«, fuhr Nyra fort. »Dieser Turm ist … nicht nur ein Gebäude. Er lebt. Ein Monster, das nach Leben dürstet – oder zumindest nach Ablenkung von seiner öden Existenz in dieser toten Welt. Ich weiß nicht, wie er zu Xal und Ravina steht. Also bleibt wachsam.«
»Wunderbare Aussichten. Ein gelangweilter Turm«, stöhnte Nathiel. Dann hellte sich sein Gesicht auf, und er grinste schief. »Na, dann sollten wir ihm die Show seines Lebens bieten – was meint ihr?«
»Oh ja, klar«, sagte Carla und grinste ebenfalls. »Spielen wir ein bisschen Theater.«
»Wovon redet ihr da eigentlich?«, fragte ich irritiert.
»Na ja, offensichtlich sind wir eine kleine Gruppe Archäologen, die diesen charmanten Ort besucht, um nach uralten Artefakten zu graben – oder?« Sie deutete auf die große Spitzhacke, die an ihrem Sattel hing. »Ihr habt auch welche. Ich hab an alles gedacht.«
Ich war bisher davon ausgegangen, dass wir uns den ganzen Weg nach oben unter Nilas Schild würden verstecken müssen. Aber von meinen Eltern wusste ich, dass nächtliche Exkursionen zu alten Stätten nichts Ungewöhnliches waren – zumindest nicht in gewissen Kreisen.
»Halt!«, rief Nyra plötzlich – und wir hielten sofort an, unmittelbar vor der Brücke. Sie sprang vom Pferd und ging schnellen Schrittes darauf zu.
»Was hat sie?«, flüsterte Nila.
»Sie ist vorsichtig«, erklärte Nathiel. Seine Stimme war nun wieder ernst. »Die Brücken hier … haben manchmal ihre Eigenheiten. Und wenn du in den Fluss der Seelen stürzt, kommst du nicht so einfach wieder heraus.«
»Uff. Gut, dass ich George zu Hause gelassen habe. Der würde sich ins Hemd machen«, grinste Nila.
Nyra kehrte bereits zurück und stieg wortlos wieder auf. »Alles in Ordnung. Wir können weiter.«
Wir setzten uns wieder in Bewegung und überquerten die Brücke. Unter uns floss kein Wasser – sondern ein tosender Strom aus Seelen. Sie rasten wie wildes Wasser unter uns hindurch, ein Strudel aus Licht und Schatten, Kummer und Erinnerung. Man konnte sich in diesem Anblick verlieren.
Ich zwang mich, den Blick loszureißen, und konzentrierte mich auf den Pfad, der vor uns lag.
Vor uns erhob sich der Turm am Ende des Weges. Steile, schwarze Stufen führten hinauf zu einem Portal – ein Eingang ins Innere. Unser Ziel. Und wir mussten irgendwie – möglichst unbemerkt – dort hineingelangen.
Ob uns das gelingen würde, würde sich bald zeigen.
Wir ritten schweigend weiter, und meine Gedanken wanderten zu unseren beiden Süßen. Sie waren bei unserem Abschied so seltsam sorglos gewesen … so zuversichtlich. Und ich hoffte so sehr, dass sie recht behalten würden.
»Bring uns bitte unseren Papa wieder«, hatte Shaddy leise geseufzt, bevor er mich so fest umarmte, wie er nur konnte.
Und meine kleine Leah hatte über das ganze Gesicht gestrahlt.
»Er wartet schon so lange auf dich! Er wusste gar nicht, dass du gedacht hast, er sei tot. Aber jetzt weiß er, dass du kommst.«
Sie hatte dabei so eifrig genickt, dass ihr kleiner Pferdeschwanz auf- und abgehüpft war.
»Du hast es ihm gesagt?«, hatte ich erstaunt gefragt. »Du kannst jetzt mit ihm reden?«
»Nein.« Ihre Enttäuschung war kaum zu übersehen. »Aber ich habe einen Zettel in meinen Traum mitgenommen. Einen Zettel, auf den ich in gaaaanz großen Buchstaben SIE KOMMEN DICH HOLEN geschrieben habe. Den hab ich ihm gezeigt. Er kann doch lesen, oder?«
Ich hatte gerührt geschmunzelt, sichtlich bewegt von so viel kindlicher Kreativität.
»Ja, das kann er. Sehr gut sogar. Und wenn er wieder zu Hause ist, wird er euch ganz bestimmt oft etwas vorlesen wollen.«
Ich hatte sie auf ihr goldlockiges Köpfchen geküsst und ins Bett gebracht.
Erst ein paar Stunden war das her – und doch fühlte es sich an, als wären seither Jahrzehnte vergangen.
Eine dieser Wirkungen, die der Schlund auf Sterbliche wie uns haben konnte.
Fortsetzung folgt …
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Stormrider - Part 144
Some of this land’s denizens crossed our path through the black, torn terrain. To put it mildly: I couldn’t have said what they even were. They rode mounts – some sort of canine-like creatures you could partially see through, just like their riders. Only fragments of their forms were even visible. I wondered what had happened to these beings, what fate had brought them into eternity like this. But that answer would likely remain forever hidden.
We reached the outer walls of something like a fortress. Masked guards stood motionless at the gate, so still they could’ve been dead.
But we turned left before reaching them. The black rock formations on either side grew taller, and soon they enclosed us in a narrow valley with no way forward or back – except the path ahead.
Nima began to prance nervously even before I heard the whisper.
»Come to me. I have him here, your prince,« cooed the voice, echoing from all directions.
My grip on Nima’s reins tightened, and I gave her a signal to keep going. It knows what you want, Ve’nari had said. I wasn’t going to make it easy for this cursed place.
From a lake we passed, skeletal hands reached out to us – pale bones only – before sinking back into the lava. The air smelled of sulfur and rot.
Xal and Ravina really couldn’t have found a more fitting place for their crimes.
»I really don’t like this,« Carla murmured as she caught up with us. »Do you think they know we’re coming?«
»No,« Nyra replied firmly. »Ve has everything under control here. Ever since the Jailer vanished, no one gets past her unnoticed down here. If Xal or Ravina’s people were on the move – she’d know.«
That seemed to calm Carla a little. Her features relaxed somewhat. »Good.«
»But once we enter the Sanctum, that could change,« Nyra continued. »That tower is … not just a building. It’s alive. A monster that thirsts for life – or at least for distraction from its dreary existence in this dead world. I don’t know where it stands on Xal and Ravina. So stay alert.«
»Wonderful. A bored tower,« Nathiel groaned. Then his face lit up and he gave a crooked grin. »Well then, I guess we’d better give it the show of its life – don’t you think?«
»Oh yes, absolutely,« Carla said, grinning too. »Let’s play a little theater.«
»What are you two talking about?« I asked, confused.
»Well, obviously we’re a small group of archaeologists visiting this charming place to dig for ancient artifacts – right?« She pointed to the large pickaxe hanging from her saddle. »You’ve got tools too. I planned ahead.«
Until now, I’d assumed we’d have to sneak all the way under Nila’s shield. But I knew from my parents that night excursions to ancient sites weren’t unusual – at least not in certain circles.
»Hold!« Nyra suddenly called – and we stopped instantly, right before the bridge. She jumped from her horse and walked toward it with quick steps.
»What’s going on with her?« Nila whispered.
»She’s being cautious,« Nathiel explained, his voice serious again. »The bridges around here … have quirks. And if you fall into the River of Souls, you won’t get out so easily.«
»Ugh. Good thing I left George at home. He’d be freaking out,« Nila grinned.
Nyra had already returned and mounted again without a word. »All clear. We can go on.«
We moved forward again and crossed the bridge.
Beneath us flowed no water – but a raging river of souls.
They surged like wild rapids beneath us, a whirl of light and shadow, sorrow and memory. You could lose yourself in the sight.
I forced myself to look away and focused on the path ahead.
Before us rose the tower at the end of the road.
Steep black steps led up to a portal – an entrance into the interior. Our destination. And we somehow had to get in – preferably unnoticed.
Whether that would succeed, we’d soon find out.
We rode on in silence, and my thoughts drifted to our two little ones. They had been so oddly calm at our farewell … so confident. And I hoped so deeply that they were right.
»Please bring our dad back,« Shaddy had sighed softly before hugging me as tightly as he could.
And little Leah had beamed from ear to ear.
»He’s been waiting so long for you! He didn’t even know you thought he was dead. But now he knows you’re coming.«
She had nodded so eagerly that her tiny ponytail bounced up and down.
»You told him?« I’d asked in surprise. »You can talk to him now?«
»No.« Her disappointment had been hard to miss. »But I took a note into my dream. A note where I wrote in biiiiig letters THEY’RE COMING TO GET YOU. I showed it to him. He can read, right?«
I had smiled, deeply moved by such childlike creativity.
»Yes, he can. Very well, in fact. And once he’s home again, I’m sure he’ll want to read to you both a lot.«
I had kissed her golden curls and tucked her into bed.
Only a few hours had passed since then – and yet it felt like decades.
One of the effects the Maw could have on mortals like us.«
To be continued …
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