Stormrider - Teil 148

Wir traten ohne weitere Zwischenfälle durch die Tür ins innere Sanktum.
Hier war es so still, dass die Stille fast noch erschreckender wirkte als all der grausige Lärm zuvor.
»Es ist nun nicht mehr weit, noch zwei Treppen und ein Gang – dann sollten wir an dem Platz sein, wo …«, Nyra hielt plötzlich inne und sah Nathiel an, der nervös von einem Fuß auf den anderen trat.
»Was ist?«
»Es … gibt noch jemanden, den wir hier rausholen müssen. Ich … ich hab’s versprochen.«
Ich starrte ihn fassungslos an. »Wen?«
»Meine Schwester. Ravina hält sie schon ewig gefangen. Sie war mal ein Teil ihrer Gruppe, und als sie gehen wollte, akzeptierte Ravina das nicht – sie hat sie in Ketten gelegt. Ich kann sie nicht hier lassen.« Er flehte beinahe.
Ich stöhnte. »Und das konntest du uns nicht vorher sagen, weil…?«
»Ich wollte nicht, dass du denkst, ich komme nur deshalb mit. Ich wollte nicht, dass du das Falsche denkst. Aber sie ist mir wichtig. Bitte.«
»Wo ist sie?«, fragte Nyra, ohne zu zögern.
»Eine Etage tiefer als Wrathion. Sie ist allein in einer Zelle angekettet, das sollte kein Problem sein. Keine magischen Ketten.«
»Gut. Aber wenn du so etwas noch einmal machst, wirst du dir eine neue Thal’Sharan suchen müssen«, knurrte ich. Noch eine Verzögerung. Meine Ungeduld stellte mich wirklich auf die Probe – und ich wollte einfach keine weiteren Aufschübe mehr.

Wir machten uns auf den Weg. Es war nach wie vor totenstill.
Diese Gänge waren anders – enger, dunkler. Nur ab und zu erleuchtete eine Fackel an der Wand unseren Weg. Es war niemand hier, der sich uns hätte in den Weg stellen können.
Wir erreichten die Zellentür, und sie ließ sich problemlos durch unsere Magie öffnen. Nathiel hatte nicht übertrieben – die junge Frau, die dort mit langen Ketten an die Wand gefesselt war, sah abgemagert und elend aus.
Sie schien vollkommen weggetreten zu sein, und man konnte nicht sagen, ob sie überhaupt noch am Leben war.

Nathiel stürzte zu ihr hin, berührte sanft ihre Schulter. »Lyssa.«
Keine Reaktion.
Er klopfte ihr leicht auf die Wangen, ein paar Mal – dann öffnete sie langsam ihre Augen. Schmerz stand darin – mehr als alles andere.
»Nat … bist du das?«
»Ja, Lys. Wir holen dich hier raus, hörst du?« Seine Stimme war brüchig.

Nyra sprach einen Zauber, und die Ketten zerfielen zu Asche.
Sie sah Nila an. »Schnell jetzt.«
Nila nickte, öffnete mit ihrer speziellen Magie ein Portal nach Sturmwind.
»Geh nach Hause«, sagte Nathiel leise. »Los, geh schon. Ich sehe dich später.«
Sie machte große Augen, in denen viele Fragen standen – aber sie gehorchte. Sie ging auf das Portal zu und verschwand darin, ohne sich noch einmal umzusehen.

Dann schloss sich das Portal. Wir waren wieder allein.
»Gehen wir«, sagte ich.
»Danke«, flüsterte Nathiel – und sah mich so liebevoll an, dass ich ihm nicht mehr böse sein konnte.
»Ist schon gut. Lasst uns die Artefakte retten.«

Eine Treppe höher standen wir erneut vor einer Zellentür. Auch sie ließ sich problemlos öffnen.
Hier war nur Schwärze – ich musste eine kleine Flamme herbeizaubern, um überhaupt etwas sehen zu können.

Da war er.
Genau wie in meinem Traum – im Käfig, in der Ecke.
Ich wusste nicht, ob er schlief oder … Schlimmeres.
Er rührte sich nicht, als ich auf ihn zustürzte.
»Wrathion! Mein Liebster …«
Ich fiel vor dem Käfig auf die Knie.
»Wrathion, Rath, hörst du mich? Liebster …«

Die anderen waren inzwischen neben mich getreten und sahen sich um.
Im Raum war nichts außer dem Käfig.

Jetzt blinzelte er – ein feiner roter Strich erschien zwischen seinen Lidern.
»Geh weg, Ravina«, grollte er. Dann schloss er die Augen wieder.

»Rath. Ich bin’s. Nicht Ravina. Ich bin hier.«
Er knurrte nur. Keine weiteren Reaktionen.

Na wunderbar.
Er hielt mich für eine Halluzination. Besser hätte es nicht laufen können.

Um ihn herum waberte der Rauch des Käfigs – und auch des Rings, der ihm um den Hals lag wie eine stumme Drohung. Ich wagte es nicht, die Gitterstäbe zu berühren.

Ich versuchte es ein drittes Mal:
»Rath, ich bin nicht Ravina. Ich bin Teyla. Und wir holen dich hier raus.«
Keine Reaktion.

Ich roch ihr elend süßes Parfum, bevor ich sie hörte.

»Wie süß.«
Die Stimme kam von der Tür – und bei ihrem Klang hätte ich am liebsten gewürgt.

Ravina.

Sie betrat mit süffisantem Lächeln den Raum – ganz in fließende, blutrote Seide gehüllt, mit einem Dekolleté, das ihr bis zum Bauchnabel reichte.
Ihre Pupillen waren verschwunden, stattdessen leuchteten ihre Augen giftgrün, dunstig und rauchend.
Aus ihrem hochgesteckten, roten Haar wuchsen dämonische Hörner.
Barfuß schritt sie fast schon anmutig auf uns zu – wie eine tödliche Braut.

»Ihr habt ein wirklich gutes Timing. Jetzt könnt ihr zusehen, wie ich mir nehme, was mir zusteht:
Mein Kind. Von Wrathion.«

Ein Seitenblick nach rechts:
Nathiel – und auch Carla – waren in den Schatten verschwunden, wie angekündigt. Gut.

Nyra knurrte: »Du wirst nichts dergleichen tun.«
»Oh doch«, säuselte Ravina, machte eine Geste mit der Hand und murmelte etwas –

Dann wurde mir schwarz vor Augen.

Als ich wieder zu mir kam, hatte sich die Örtlichkeit verändert.
Wir befanden uns auf einer Plattform, die wie ein überdimensionierter Balkon außen am Turm angebracht war.

In der Mitte: Wrathion.
Der Käfig war verschwunden –
doch der Ring um seinen Hals war noch immer vorhanden.
Er lag reglos da – wie ein schwarzer Berg.

Ich versuchte, mich zu bewegen – doch es gelang mir nicht.

»Halt still«, flüsterte jemand unsichtbar an meinem Ohr.
Nathiel.
»Sie hat einen einfachen Bann auf euch gelegt. Ich werde ihn lösen. Aber ihr müsst weiter so tun, als wäre er aktiv. Verstanden?«
Ich nickte kaum merklich.
»Gut.«

Ich spürte, wie sich meine Arme und Beine entspannten, als der Bann fiel – doch ich bewegte mich keinen Millimeter.

Fortsetzung folgt …

Du kannst hier meinen Newsletter abonnieren, dann bekommst du immer eine Info, wenn ein weiterer Teil von Stormrider veröffentlicht wurde.

Stormrider - Part 148

We stepped through the door into the inner sanctum without any further incidents. It was so quiet here that the silence felt almost more terrifying than all the gruesome noise before.

»It’s not far now, two more staircases and a corridor – then we should reach the place where…« Nyra stopped abruptly and looked at Nathiel, who shifted nervously from one foot to the other.
»What is it?«
»There’s… someone else we need to get out of here. I… I promised.«
I stared at him in disbelief. »Who?«
»My sister. Ravina has kept her imprisoned for ages. She used to be part of her group, and when she tried to leave, Ravina wouldn’t allow it – she chained her up. I can’t leave her here.« He was almost pleading.
I groaned. »And you couldn’t tell us earlier because…?«
»I didn’t want you to think I only came along because of her. I didn’t want you to get the wrong idea. But she matters to me. Please.«
»Where is she?« Nyra asked without hesitation.
»One floor below Wrathion. She’s chained alone in a cell, that shouldn’t be a problem. No magical chains.«
»Good. But if you ever pull something like this again, you’ll have to find yourself a new Thal’Sharan,« I growled. Another delay. My impatience really put me to the test – and I wanted no more postponements.

We set off. It was still deathly quiet.
These corridors were different – narrower, darker. Only an occasional torch on the wall lit our way. No one was here to stand in our path.
We reached the cell door, and it opened easily under our magic. Nathiel had not exaggerated – the young woman chained to the wall with long shackles looked emaciated and miserable.
She seemed completely gone, and one couldn’t tell whether she was even still alive.

Nathiel rushed to her and gently touched her shoulder. »Lyssa.«
No reaction.
He tapped her lightly on the cheeks a few times – then she slowly opened her eyes. Pain filled them – more than anything else.
»Nat… is that you?«
»Yes, Lys. We’re getting you out of here, do you hear me?« His voice was unsteady.

Nyra spoke a spell, and the chains crumbled into ash.
She looked at Nila. »Quick now.«
Nila nodded and opened a portal to Stormwind with her special magic.
»Go home,« Nathiel said softly. »Go on. I’ll see you later.«
Her eyes widened, full of questions – but she obeyed. She walked toward the portal and disappeared into it without looking back.

Then the portal closed. We were alone again.
»Let’s go,« I said.
»Thank you,« Nathiel whispered – and looked at me with such affection that I couldn’t stay angry with him.
»It’s fine. Let’s save the artifacts.«

One floor up, we stood before another cell door. It opened just as easily.
Only darkness lay within – I had to conjure a small flame to see anything at all.

There he was.
Exactly as in my dream – in the cage, in the corner.
I didn’t know whether he slept or… something worse.
He didn’t move when I rushed toward him.
»Wrathion! My love…«
I fell to my knees before the cage.
»Wrathion, Rath, can you hear me? My love…«

The others had stepped up beside me and were looking around.
There was nothing in the room except the cage.

He blinked now – a thin red line appearing between his lids.
»Go away, Ravina,« he growled. Then he closed his eyes again.

»Rath. It’s me. Not Ravina. I’m here.«
He only growled. No further reaction.

Wonderful.
He thought I was a hallucination. Couldn’t have gone better.

Smoke drifted around him from the cage – and from the ring around his neck like a silent threat. I didn’t dare touch the bars.

I tried a third time:
»Rath, I’m not Ravina. I’m Teyla. And we’re getting you out of here.«
No reaction.

I smelled her sickly sweet perfume before I heard her.

»How sweet.«
The voice came from the door – and at its sound I almost gagged.

Ravina.

She entered with a smug smile – wrapped in flowing blood-red silk, with a neckline plunging to her navel.
Her pupils were gone, replaced by glowing toxic green, misty and smoking.
Demonic horns grew from her pinned-up red hair.
Barefoot, she approached us almost gracefully – like a deadly bride.

»Your timing is excellent. Now you can watch as I take what is rightfully mine:
My child. From Wrathion.«

A glance to the right:
Nathiel – and Carla as well – had vanished into the shadows as planned. Good.

Nyra growled, »You will do no such thing.«
»Oh, but I will,« Ravina purred, made a gesture with her hand, and murmured something –

Then everything went black.

When I came to, the setting had changed.
We were on a platform attached to the outside of the tower like an oversized balcony.

In the center: Wrathion.
The cage was gone –
but the ring around his neck remained.
He lay motionless – like a black mountain.

I tried to move – but couldn’t.

»Hold still,« someone whispered invisibly into my ear.
Nathiel.
»She put a simple binding spell on you. I’ll break it. But you must keep pretending it’s active. Understood?«
I nodded hardly at all.
»Good.«

I felt my arms and legs loosen as the spell fell – but I didn’t move an inch.

To be continued …

You can subscribe to my newsletter here, then you will always be informed when another part of Stormrider has been published.

Die neuesten Blogbeiträge

Nach oben scrollen
a cartoon of a dragon sitting in a grassy field

Stormrider - Newsletter

Verpasse keine weitere Folge von Stormrider und abonniere diesen Newsletter.


Never miss another episode of Stormrider, subscribe to our newsletter.