Stormrider - Teil 20

Wrathions humanoide Erscheinungsform war mindestens einen Kopf größer als meine und seine schulterlangen Haare und sein Bart waren pechschwarz. Seine Augen leuchteten in einem satten Rot, genau wie meine und er roch ziemlich gut nach einer würzigen Mischung aus Drache und Leder. Bis auf sein weißes Hemd trug er ausschließlich schwarzes Leder. Erneut fragte ich mich, wie dieser wildfremde schwarze Drache in meinen Traum geraten sein konnte und ob ich in seinem Gesicht tatsächlich so etwas wie Erkennen gesehen hatte, in diesem allerersten Moment. Oder hatte ich mir das nur eingebildet? Ich konnte ihn ja schlecht einfach danach fragen. Allein beim Gedanken daran wurden meine Ohren heiß.
»Was gibt es heute?«, riss mich Professor Whitmoore mit ihrer piepsigen Stimme aus meinen Gedanken, nachdem unsere kleine Gruppe an einem Tisch im Gasthaus Platz genommen hatte.
Sie blätterte kurz in der Speisekarte und runzelte die Stirn. »Ahh … Hmm … Oh! Ich weiß schon!«, machte sie und klappte dann die dünne ledergebundene Karte mit einem so lauten Knall zu, dass wir alle zusammenzuckten. Die kleine Professorin lächelte jetzt zufrieden und sah in die Runde, denn wir anderen grübelten immer noch über unserem Menü.
Eigentlich war ich noch viel zu sehr aus der Bahn geworfen, um überhaupt an Essen denken zu können, aber zum Glück war ich hier oft mit Alice gewesen und wusste blind, was ich mögen würde.
Ich sah plötzlich farbenfroh in meiner Erinnerung Alice und mich an jenem Abend und hörte wieder, was ich damals zu ihr gesagt hatte. »… siehst du hier etwa irgendwelche Drachen?« Am liebsten hätte ich mir unvermittelt die Hand vor den Kopf geschlagen, aber das hätte in diesem Moment dann doch etwas abgedreht gewirkt.

Mittlerweile hatte jeder sein Essen ausgewählt und die Gastwirtin kam, um die Bestellung aufzunehmen. Ich wusste noch immer nicht, wie ich mich jetzt fühlen sollte, und erholte mich gerade noch von diesem Moment des Erkennens, also war ich während des Essens eher schweigsam und hörte den Anderen zu. Aber das verräterische Geflatter in meinem Bauch wurde nicht weniger. Im Gegenteil.
Ich ärgerte mich einerseits darüber, dass so etwas Banales wie eine Begegnung mich derart aus meiner Spur bringen konnte. Andererseits war es nicht zu leugnen, dass dieser Wrathion etwas Besonderes hatte. Und ich hätte es nie zugegeben, aber ich platzte fast vor Neugier, was dieses Besondere sein könnte. Also sog ich jede Geste und jedes Wort dieses Drachen, der sich frecherweise in meine Träume geschlichen hatte wie ein Schwamm in mich auf, ohne mir groß etwas davon anmerken zu lassen.

Jaina, die gerade amüsiert davon erzählt hatte, wie sie in ihrer Jugend einen unhöflichen Magier durch ein Portal geschickt hatte, das ihn unmittelbar in die übelriechenden Sümpfe des Elends versetzt hatte, nahm einen großen Schluck aus ihrem Bierkrug und alle lachten.
Der große rot leuchtende Stein, den Wrathion an einer Kette um den Hals trug machte mich neugierig. »Das ist ein beeindruckender Stein, den du da trägst. Hat er eine besondere Bedeutung für dich?«
»Ja, tatsächlich. Er ist mehr als nur ein einfacher Stein; er ist für mich ein Symbol meiner Verbindung zu den Altvorderen und ihrem Wissen. Und ich sehe, du trägst ebenfalls rote Steine. Ist ihre Bedeutung für dich ähnlich?«
»In gewisser Weise, ja.« Ich musste lächelnd an Oma denken, die mir die Halskette die ich trug, vor meiner Abreise geschenkt hatte. »Sie erinnern mich an das Feuer in uns Drachen. An unsere Macht und unsere Weisheit. Ich bekam sie von meiner Oma geschenkt, bevor ich begann, Magie zu studieren. Sie sagte, sie sollen mich immer an die Stärke und den Mut erinnern, die in mir liegen.«
Er nickte. »Ein schönes Geschenk. Das Feuer der Drachen … eine mächtige Erinnerung und ein starkes Symbol. Es scheint, als hätten wir beide eine tiefe Verbindung zu den alten Lehren. Erzähl mir, was genau zieht dich als Dracthyr zur Magie?«
Jetzt war ich in meinem Element. Ich schwärmte ihm mit leuchtenden Augen von meiner Leidenschaft für Magie vor, seitdem ich ein kleiner Welpe gewesen war und davon, dass ich niemals etwas anderes wollte, als eine Magierin zu sein.
»Ich verstehe deine Leidenschaft. Ich hatte bislang auf meinen Reisen nur eher bescheidene magische Erfahrungen machen können, bis ich durch einen glücklichen Zufall meinen guten Freund Khadgar kennenlernte.«, lächelte er jetzt in die Richtung meines Lehrers.
»Ich glaube nicht an so was wie Zufälle« sagte ich lächelnd und staunte im selben Moment darüber, dass ich das gesagt hatte.
»Gibt es noch weitere Magieinteressierte in deiner Familie? Woher kommt dein Interesse?«, fragte er mich.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, die gibt es nicht. Meine Eltern sind beide Archäologen und meine Oma, bei der ich lebe, ist … eben meine Oma. Ohne jegliche magische Ambitionen.« Ich merkte, dass ich Oma schon wieder vermisste, obwohl ich sie erst letztes Wochenende besucht hatte.
Er machte ein wehmütiges Gesicht. »Familie … leider kenne ich diese Erfahrung nicht. Mein von der Verderbnis befreites Ei landete beim roten Schwarm, noch bevor ich geschlüpft war. Sie zogen mich auf, bis ich sehr jung beschloss, auf Reisen mein eigenes Schicksal zu finden. Ich… traf einige Entscheidungen, die nicht sehr… glücklich waren. Aber nun gut, was geschehen ist, ist geschehen …«, seufzte er.
»Wurde nicht der rote Schwarm dadurch zu deiner Familie?« Ich sah das als selbstverständlich an und war verwundert, dass er das scheinbar anders sah.
»Nein, leider nicht. Das Vermächtnis Neltharions hängt mir als sein vermutlicher Nachkomme an und ich konnte nie eine tiefergehende Verbindung zum roten Schwarm aufbauen. Davon abgesehen, dass ich auch keinen Wert darauf legte, nachdem ich erfuhr, dass sie mit meinem Ei experimentiert hatten.«
»Das ist wirklich schade.«, sagte ich. »Ich mag die Königin gern.«
»Mittlerweile hat sich unser Verhältnis wieder normalisiert.«, antwortete er. »Aber Familie … nein, als meine Familie würde ich den roten Schwarm definitiv nicht bezeichnen.«

 

Fortsetzung folgt …

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Stormrider - Part 20

Wrathion’s humanoid form was at least a head taller than mine, with shoulder-length black hair and a matching black beard. His eyes glowed a deep red, just like mine, and he smelled quite good, a spicy mix of dragon and leather. Except for his white shirt, he wore only black leather. Again, I wondered how this strange black dragon could have ended up in my dream and whether I had actually seen recognition in his face in that very first moment. Or had I just imagined it? I couldn’t very well ask him. Just the thought of it made my ears burn.

»What’s on the menu today?« Professor Whitmoore’s squeaky voice pulled me from my thoughts as our small group took seats at a table in the inn.

She briefly flipped through the menu and frowned. »Ahh … Hmm … Oh! I know!«, she said, closing the thin leather-bound menu with such a loud bang that we all jumped. The little professor now smiled contentedly and looked around the table, while the rest of us were still pondering over our menus.

I was far too thrown off to think about food, but fortunately, I had been here often with Alice and knew what I would like.

Suddenly, I vividly remembered Alice and me on that evening and heard what I had said to her back then. »… do you see any dragons here?« I would have loved to smack my forehead, but that would have looked a bit crazy at the moment.

By now, everyone had chosen their food, and the innkeeper came to take our orders. I still didn’t know how to feel and was just recovering from that moment of recognition, so I was rather quiet during the meal and listened to the others. But the telltale flutter in my stomach didn’t lessen. On the contrary.

I was annoyed that something as trivial as a meeting could throw me off so much. On the other hand, it was undeniable that this Wrathion had something special. And I would never admit it, but I was bursting with curiosity about what that special something could be. So I absorbed every gesture and every word of this dragon who had cheekily sneaked into my dreams like a sponge, without showing it too much.

Jaina, who had just been amusingly recounting how she had once sent a rude mage through a portal that landed him directly in the foul-smelling Swamps of Sorrow in her youth, took a big gulp from her beer mug, and everyone laughed.

The large, glowing red stone that Wrathion wore on a chain around his neck made me curious. »That’s an impressive stone you’re wearing. Does it hold special significance for you?«

»Yes, indeed. It is more than just a simple stone; it symbolizes my connection to the Ancients and their wisdom. And I see you also wear red stones. Do they have a similar meaning for you?«

»In a way, yes.« I had to smile, thinking of Grandma, who had given me the necklace I wore before I left. »They remind me of the fire in us dragons. Of our power and wisdom. My grandma gave them to me before I began studying magic. She said they should always remind me of the strength and courage within me.«

He nodded. »A beautiful gift. The fire of dragons… a powerful reminder and a strong symbol. It seems we both have a deep connection to the ancient teachings. Tell me, what exactly draws you as a Dracthyr to magic?«

Now I was in my element. With shining eyes, I told him about my passion for magic since I was a small whelp and that I had never wanted to be anything other than a mage.

»I understand your passion. So far, on my travels, I had only modest magical experiences until, by a fortunate chance, I met my good friend Khadgar.«, he now smiled in the direction of my teacher.

»I don’t believe in such things as coincidences,« I said, smiling, and marveled at having said that.

»Are there others interested in magic in your family? Where does your interest come from?« he asked.

I shook my head. »No, there aren’t. My parents are both archaeologists, and my grandma, with whom I live, is… just my grandma. Without any magical ambitions.« I realized I already missed Grandma, even though I had just visited her last weekend.

He made a wistful face. »Family… unfortunately, I don’t know that experience. My uncorrupted egg landed with the red flight before I hatched. They raised me until I decided at a very young age to find my destiny through travel. I… made some decisions that were not very… fortunate. But well, what’s done is done… « he sighed.

»Didn’t the red flight become your family?« I saw that as a given and was surprised that he apparently saw it differently.

»No, unfortunately not. Neltharion’s legacy hangs over me as his presumed descendant, and I could never form a deeper connection to the red flight. Besides, I didn’t value it once I learned they had experimented with my egg.«

»That’s really a shame,« I said. »I like the queen.«

»Our relationship has since normalized,« he replied. »But family… no, I would definitely not call the red flight my family.«

 

To be continued …

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